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SSRQ ZH NF I/1/3 32-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 32-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Verordnung der Stadt Zürich betreffend Bestrafung des Totschlags zwischen Bürgern

1489 Mai 25.

Wer an einem anderen Bürger einen Totschlag verübt und nicht in Notwehr dazu gedrängt worden ist, soll der Stadt 20 Mark Busse entrichten und für die Dauer eines Jahres aus der Stadt Zürich und ihrem Herrschaftsgebiet verbannt sein. Nach Ablauf dieser Frist ist er zur Rückkehr befugt, jedoch soll er zuvor die genannte Busse entrichten und sich vor den Verwandten des Toten hüten. Wer mit glaubwürdigen Zeugen versichern kann, dass er aus Notwehr gehandelt hat, muss keine Busse entrichten und soll vor den Verwandten des Toten sicher sein.

  • Signatur: StAZH A 43.1.2, Nr. 2, S. 32
  • Originaldatierung: 1489 Mai 25 (Datierung aufgrund der Schreiberhand)
  • Überlieferung: Eintrag
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 22.0 × 32.0
  • Sprache: Deutsch
  • Schreiber: Johannes Gross, Unterschreiber der Stadt Zürich

Die ersten den Totschlag betreffenden Bestimmungen finden sich im Richtebrief, wobei schon dort Notwehr als Entlastungsgrund genannt wird (SSRQ ZH NF I/1/1, S. 11-18). In der Rechtspraxis des 14. und 15. Jahrhunderts, wie sie in den Urteilen der Richtebücher deutlich wird, fand die Einstufung einer Tötung als Notwehr jedoch nur selten Anwendung (Pohl 1999, S. 253). Einfache, aus einem unmittelbar vorangehenden Konflikt entstandene Tötungen wurden von dem für diese Fälle zuständigen RatsgerichtOrganisation: für gewöhnlich mit einer an die Stadt zu entrichtenden Busse bestraft. Gerade im Kontext von Beleidigungen gestand der RatOrganisation: den männlichen Stadtbürgern grundsätzlich zu, ihre Ehre auch durch Gewaltanwendung wiederherzustellen. Zusätzlich hatte sich der Täter jedoch mit den Hinterbliebenen zu einigen, denen auch die Möglichkeit der Blutrache offenstand (für die Definition der zur Blutrache berechtigten Verwandtschaftsgrade vgl. Zürcher Stadtbücher Bd. 3/2, S. 200, Nr. 106). In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts setzte eine Verschärfung der Gerichtspraxis ein, die am Auftauchen der Kategorie des «unehrlichen» Totschlags in den Urteilen abzulesen ist: Darunter fielen als exzessiv eingestufte Tötungen, die nun für gewöhnlich mit der Todesstrafe geahndet wurden. Umgekehrt kam auch die Kategorie der Notwehr immer häufiger zu Anwendung (Pohl 1999, S. 243).

Die vorliegende Ordnung antwortet auf diese allmähliche Verschärfung der Rechtspraxis, insofern nun alle Totschläge, auch die als «ehrlich» angesehenen, mit einer hohen Busse sowie einjähriger Verbannung bestraft wurden. Die Reformation führte diese strengere Handhabung fort, indem zwischenzeitlich sogar alle gesetzeswidrigen Tötungen, unter Vorbehalt der Notwehr, unter die Todesstrafe gestellt wurden (StAZH A 42.1.8, Nr. 24; Edition: Egli, Actensammlung, Nr. 1609; die Vermutung von Pohl 1999, S. 264, wonach eine erste Satzung bereits um 1480 vorübergehend alle Totschläge unter Todesstrafe gestellt habe, basiert auf der irrtümlichen Datierung eines Todesurteils des Jahres 1530, vgl. StAZH B VI 232, fol. 87r). Die tatsächliche Anwendung des Erlasses von 1529 war jedoch von begrenzter Dauer, denn bereits um das Jahr 1540 findet sich eine neue Bestimmung, die sich, mit einigen Modifikationen, wiederum an der vorliegenden Ordnung orientiert und für längere Zeit Gültigkeit behalten sollte (SSRQ ZH NF I/1/3 171-1).

Zur Behandlung des Totschlags und seiner Bedeutung im Kontext von Ehrenhändeln vgl. Pohl 1999; für sein Verhältnis zu anderen Gewaltdelikten insbesondere im 14. Jahrhundert vgl. Burghartz 1990, S. 139-154; allgemein zur Deliktstruktur vgl. Gilomen 1995, S. 382-386.

Editionstext

Waͧ ein burger den andern burger vom
leben zum tod bringt, wie soͤlicher todschlag gebuͤsd werden sol


Wir haben uns erkendt, so ein burger a–an einemKorrektur oberhalb der Zeile, ersetzt: den–a andern burger einenKorrektur oberhalb der Zeile, ersetzt: zeb
todschlagKorrektur auf Zeilenhöhe, ersetzt: chtc tuͦtKorrektur oberhalb der Zeile, ersetzt: oder stichtd und der selb, so den todschlag geton haͧt,
nit zuͦ der not wer getrengt ist, der sol der stat zuͦ buͦß geben
xx marchWährung: 20 Mark und darzuͦ von der statt und unsern gepieten sin einHinzufügung auf Zeilenhöhee
gantzesKorrektur auf Zeilenhöhe, ersetzt: zweyf jar
Zeitspanne: 1 Jahr
. Und wyl er naͧch dem g jareZeitspanne: 1 Jahr in die statt und
unser gepiet, das mag er wol tuͦn, und doch sol er zuͦvor
unser statt umb soͤlich buͦß usgericht haben und sich vor
des libloß toͧnen fru̍nden huͤten.

Welcher aber mit gloͧplicher kuntschaft fu̍rbringen mag, des den
ratOrganisation: zuͦ recht gnuͦg sin bedunckt, das er zuͦ der not wer getrengt sye,
der selb sol gemeyner stat kein buͦs verfallen sin h
und daͧmyt dem gerichtOrganisation: und reͣchten gebuͤsd haben, oͧch vor des
liblos toͧnen fru̍nden sicher sin.

Anmerkungen

  1. Korrektur oberhalb der Zeile, ersetzt: den.
  2. Korrektur oberhalb der Zeile, ersetzt: ze.
  3. Korrektur auf Zeilenhöhe, ersetzt: cht.
  4. Korrektur oberhalb der Zeile, ersetzt: oder sticht.
  5. Hinzufügung auf Zeilenhöhe.
  6. Korrektur auf Zeilenhöhe, ersetzt: zwey.
  7. Streichung: zwey.
  8. Streichung durch gekreuzte Linien: xx marchWährung: 20 Mark .