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SSRQ ZH NF I/1/3 57-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 57-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Jahrzeitstiftungen des Chorherrn Stefan Meier an das Siechenhaus an der Spanweid

ca. 1490 – 1498.

Stefan Meier, Chorherr am Fraumünster, überschreibt 26 Pfund jährlichen Zins aus dem Weinungeld der Stadt Zürich den Aussätzigen im Siechenhaus an der Spanweid, wobei nach seinem Tod der dortige Kaplan jeden Samstag 10 Schilling aus dem Weinungeld beziehen, davon einen Schilling sich selbst zu Lohn nehmen und aus den restlichen neun Schilling den Aussätzigen Fleisch, Fisch oder was ihnen gefällig ist, kaufen lassen soll. Diese Ordnung soll am Sonntag vor jeder Fronfasten verlesen und die Jahrzeit des Stifters und aller seiner Vorfahren begangen werden, indem der Kaplan die Messe liest und die Aussätzigen für alle Gläubigen Fürbitte leisten. Dafür ist der Kaplan mit zwei Schilling und die Aussätzigen mit acht Schilling zu entschädigen (1). Weiter hat Stefan Meier den Aussätzigen im Siechenhaus an der Spanweid vier Jucharten Reben einschliesslich der Erträge aus Haus, Hoftstatt, Holz und Heu geschenkt. Diese hat er zuvor mit Bewilligung von Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich um 450 Pfund vom Spital erworben. Er erneuert damit seine Jahrzeit, die der Kaplan jeden Samstag an Fronfasten begehen soll. Allen Aussätzigen, die bei der Jahrzeitmesse von Anfang bis Ende anwesend sind, soll eine Quart Wein ausgeteilt werden, während die Abwesenden keinen Wein erhalten (2). Schliesslich hat Stefan Meier das Recht auf den Ertrag von zehneinhalb Mütt Kernen auf dem Acker beim Hottingerfeld gekauft und wiederum den Insassen des Siechenhauses an der Spanweid überschrieben. Aus dem Erlös soll der Kaplan zusammen mit zwei weiteren Priestern am Samstag vor jeder Fronfasten seine Jahrzeit begehen. Zu diesem Zweck hat der Pfleger des Siechenhauses dem Kaplan und den beiden mitwirkenden Priestern fünf Schilling auszubezahlen und den Aussätzigen für den Betrag von 15 Schilling Fisch zu kaufen (3). Die Urkunden über diese Stiftungen werden in der Kaplanei aufbewahrt und datieren von den Jahren 1490, 1495 und 1498.

Der vorliegende Eintrag im Jahrzeitbuch des Siechenhauses an der SpanweidOrt: fasst drei Schenkungen desselben Stifters zusammen, wobei die originalen, ursprünglich in der Kaplanei des Siechenhauses verwahrten Urkunden heute nicht mehr erhalten sind. Nach der Reformation wurde im Jahr 1539 das Jahrzeitbuch neu angelegt, wobei die Jahrzeitstiftungen in reformatorischem Sinn modifiziert wurden. Dieser Prozess lässt sich an der Umformulierung der Schenkung MeiersPerson: im Detail nachvollziehen (SSRQ ZH NF I/1/3, Nr. 166). Daneben wurde das neue Jahrzeitbuch auch um weitere Einträge ergänzt, wovon etwa die Schenkung Heinrich BullingersPerson: und seiner Ehefrau Anna AdlischwylerPerson: zeugt (SSRQ ZH NF I/1/3, Nr. 192).

Stefan MeierPerson: gehörte zu den aktivsten Stiftern des Siechenhauses. Besonders hervorzuheben ist dabei die im Chor der heute abgebrochenen Kapelle an der SpanweidOrt: bezeugte Inschrift, welche unter Verweis auf den vorliegenden Eintrag an die Begehung seiner Jahrzeit erinnerte. Die Inschrift lautete: «Anniversarium Stephani MeyerPerson: , canonici abbaciaeOrganisation: , omni angaria pagaturperagatur, libro vitae clare habetur, 1496» (zitiert nach Escher 1692, S. 273).

MeiersPerson: Stiftungstätigkeit ordnete sich ein in eine allgemeine Tendenz der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, die eine deutliche Zunahme der Vergabungen zugunsten von karitativen Institutionen wie Siechenhäusern und Spitälern zeigt. Der RatOrganisation: förderte diese Tendenz, indem er diese Institutionen vom Verbot ausnahm, Jahrzeiten durch die Überschreibung von Immobilien zu errichten. Auch bei der Ordnung zur Ablösung von Renten, die durch Schenkung in den Besitz geistlicher Körperschaften gegangen waren, wurden karitative Institutionen gesondert behandelt (Hugener 2014, S. 81; Dörner 1996, S. 239; vgl. auch die Ordnung zur Ablösung von der Geistlichkeit geschuldeten Zinsen, SSRQ ZH NF I/1/3, Nr. 13).

Zu den beiden Jahrzeitbüchern des Siechenhauses vgl. Hugener 2014, S. 94 und 389-390; Zimmermann 2007, S. 100; Hegi 1922, S. 193-197; zum Siechenhaus selbst KdS ZH NA I, S. 51-56, sowie die Ordnung von dessen Kaplan (SSRQ ZH NF I/1/3, Nr. 174).

Editionstext


Herr Stephan MeyerPerson: jarzitt

[Marginalie auf der nächsten Seite von späterer Hand:]
1490
Originaldatierung: 1.1.1490 – 31.12.1490
[Marginalie auf der nächsten Seite von späterer Hand:]
Nütz neu

Herr Stephan MeyerPerson: , chorherr zuͦ FrowenmünsterOrt:
hatt geordnet und gesetzt zwentzig und sechß pfund
geltz, guͦtter ZürichOrt: pfennig
Währung: 26 Zürcher Pfund
järlichßWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr zinß uff und ab
der statt win umbgelt den armen sundersiechen
an der SpaweidOrt:
Organisation:
, also dz nach sinem tod der capplan
da selbs an der SpaweidOrt: alle samstagZeitspanne: Montag am win
umbgelt vordern und inziehen sol zehen schilling
Währung: 10 Schillinge
, da von im selbß nemen ein schillig Währung: 1 Schilling zuͦ lon und
umb die übrigen nün schilligWährung: 9 Schillinge durch der sundersiechen botten kouffen visch, fleisch oder waß
den siechen aller gevelligist ist und dz erberlich
under sy teylen, so verr es gelangen mag.

Solich sin ordnung sol ouch verkündt werden
am suntagZeitspanne: Sonntag vor jetlicher fronvastenDatum: beweglicher Feiertag und sin und [fol. 48r]Seitenumbruch
aller siner vordern jarzit began, der capplan mitt
meß han und die sunder siechen got zuͦ bitten für
all gloubig selen, dar umb sol der cappllan nemen
zuͦ jeder fronvastenDatum: beweglicher Feiertag zwen schillingWährung: 2 Schillinge und den armen
siechen uff dz selb zit kouffs umb die übrigen acht
schilling
Währung: 8 Schillinge
.
Und lit der houpt brieff hier überwisen by andern briefen der cappellany,1 des datum
mo cccco und im nüntzigisten jar.Originaldatierung: 1.1.1490 – 31.12.1490
[Marginalie am rechten Rand von späterer Hand:]
1495
Originaldatierung: 1.1.1495 – 31.12.1495

Aber mer, so hat der vorgemelt herr Stephan
Meyer
Person:
geben den kinden zuͦ einem widemm
vier juchart rebenFlächenmass: 4 Jucharten Reben, huß, hofstat, holtz und hoͤwgewechß mit aller zuͦ gehoͤrdt, wie er die vom
spital ZürichOrt: Organisation: erkouft hat, umb iiijc und fünffzig
pfund ZüricherOrt: dnAbkürzung
Währung: 450 Zürcher Pfund
und mit gunst und willen
unser herren burgermeister und ratOrganisation: bestëtiget sin
ob geschriben jarzit, so ein capplan ewenklich began
sol, all samstagWiederholte Zeitspanne: 1 Woche zuͦ jeder fronvastenDatum: beweglicher Feiertag mit verkünden und
meß han, ouch nach dem ampt vor dem alltar betten
ein MißrereKorrigiert: Misererea, versickel und collecht, und alle huß kind,
so by disem jarzit sind von anfang byß zuͦ end,
sol geben werden ein quertlin winVolumenmass: 1 Quart zuͦ psentzpresentz zuͦsampt dem win, der einem sust wirt zuͦr pfruͦnd.
Und welleß huß kind diser ordnung nit leben
welti, sol on gnad den tagZeitspanne: 1 Tag manglen psentzpresentz und
pfruͦnd win etcAbkürzung.
Und lit diser houpt brieff ouch
by andern briefen der cappelany, des datum
mo cccco nüntzig und funff jarOriginaldatierung: 1.1.1495 – 31.12.1495.
[Marginalie am rechten Rand von späterer Hand:]
1498
Originaldatierung: 1.1.1498 – 31.12.1498
[Marginalie am rechten Rand von späterer Hand:]
Selb
an der
meß han

Item es hat ouch der obgemeldt herr Stephan MeyerPerson:
erkouft zehenthabenKorrigiert: halbenb mttmütt kernenVolumenmass: 9.5 Mütt geltz uff ackern
in Hottinger Veld Ort: gelegen, und die selben verordnett
zuͦ einem widem dem huß und sunder siechen
an der SpaweidOrt:
Organisation:
. Es sol ouch der capplan da selbß
mit zweyen priestern im jarzit des genanten herren
am samstagZeitspanne: Samstag zuͦ jeder frovastenDatum: beweglicher Feiertag mit dryenMenge: 3 messen
MißrereKorrigiert: Misererec, vsversickel und collecht, began. Darumb sol der
pfleger geben dem capplan fünff schilligWährung: 5 Schillinge , die zweiMenge: 2
priester zuͦ bestellen und den armen kinden kouffen
umb xv Währung: 15 Schillinge visch.
Und lit diser brieff ouch by
andern briefen der cappellany, des datum mo cccco
nüntzig und acht jar
Originaldatierung: 1.1.1498 – 31.12.1498
.

Anmerkungen

  1. Korrigiert: Miserere.
  2. Korrigiert: halben.
  3. Korrigiert: Miserere.
  1. Der Sitz des Kaplans des Siechenhauses befand sich von 1492 bis 1649 im Haus zum SilberschildOrt: in der Nachbarschaft des GrossmünstersOrt: (KdS ZH NA I, S. 52).