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SSRQ ZH NF I/1/3 75-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 75-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Appellationsordnung der Stadt Zürich

1507 April 15.

Bürgermeister Matthias Wyss, Kleiner und Grosser Rat der Stadt Zürich erlassen eine Ordnung für die Appellation von den unteren Gerichten in Stadt und Landschaft an den Rat: Wer mit dem Urteil eines untergeordneten Gerichts nicht einverstanden ist und an den Rat zu appellieren wünscht, soll seinen Entscheid noch am Tag der Urteilsfällung dem Gericht und seiner Gegenpartei mitteilen. Wer dies versäumt, hat keine Möglichkeit mehr, das Urteil weiterzuziehen (1). Appellierende haben innert einem Monat den Bürgermeister um einen Verhandlungstermin zu ersuchen, worauf dieser so bald als möglich einen Gerichtstag abhalten soll (2). Beläuft sich der Wert des Verhandlungsgegenstandes unter 50 Pfund, beträgt die Gerichtsgebühr ein Pfund Haller, handelt es sich um 50 Pfund oder mehr, zwei Pfund Haller (3). Wer seine Sache zu Unrecht vor den Rat gebracht hat und die Appellation verliert, hat der Gegenseite die durch die Appellation entstandenen Kosten zu erstatten. Wer Recht erhält, muss keine Kosten erstatten (4).

Die Schaffung der Möglichkeit zur Appellation von den niederen Gerichten in Stadt und Landschaft an den Kleinen Rat der Stadt ZürichOrt: Organisation: geht auf die Jahre 1486 und 1487 zurück (StAZH B II 10, S. 29; StAZH B II 11, S. 11). In demselben Zeitraum wurde das niedere Gerichtswesen im städtischen Herrschaftsgebiet insgesamt neu geordnet (SSRQ ZH NF I/1/3, Nr. 23). Ausgenommen von der direkten Möglichkeit der Appellation an den RatOrganisation: waren die Urteile des StadtgerichtsOrganisation: (Bauhofer 1943a, S. 189-192).

Der vorliegende Eintrag stellt die erste ausführliche Appellationsordnung dar, die neben Gebühren auch Einzelheiten des Verfahrens regelt. Sie wurde in das Satzungsbuch der Stadt ZürichOrt: von 1516-1518 übertragen. Es existieren zwei weitere Abschriften aus dem 16. Jahrhundert (StAZH A 43.1.4, Nr. 13; StAZH A 43.1.4, Nr. 14). Die Bestimmungen der Appellationsordnung wurden in den Jahren 1617 und 1668 modifiziert (Schauberg, Gerichtsbuch, Anhang 2, S. 142-143, Nr. 17; Anhang 3, S. 155-156, Nr. 2).

Zur Appellation an den RatOrganisation: vgl. Hürlimann 2000, S. 42-43; Bluntschli 1856, Teil 1, S. 406-408; zur Geltung dieser Ordnung für WinterthurOrt: vgl. SSRQ ZH NF I/2/1, Nr. 205.

Editionstext

Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: Ordnung der appellacionna
Als b–unnser herrenTextvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: wir, der–b burgermeister und raͧt der statt Zu̍richOrt: Organisation: nun lange zitt har vilfalltencklich
gemerckt und empfunden habent, das allenthalb in irenTextvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unßernc gerichten und gepieten rich und arm
ein andern in den gerichten, dar inn si dann sitzend, umb ir vordrungen, spenn und zuͦspru̍ch,
so sich zwu̍schend inen begebend, rechtfertigend und daselbs urteilen ergand, da zuͦ ziten ein
und der ander teil von den selben urteilen appellierend, me darumb, das einer sinem wyderteil
sin sach und bezalung, so er wider inn erlangt haͧt, gevaͧrlich verzuhe, zuͦ costen und schaden
bringe, dann uß notturfft oder foͤrmlichen, guͦtten ursachen, und also, damit unbillich, filkoͤnnend lu̍t die selben d–unnser herrenTextvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unns–d umb lichtferig, torlich und ungegru̍ndt anspraͧchen
hellgend und muͤgend und iren widerteil dadurch in versu̍mnu̍ß ir arbeit und in unbillichen costen und schaden fuͤrend, daran e–die selben, unser herren, irTextvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: wir, fu̍r unns–e selbs und biderber lu̍ten
halb meͣrcklich beschwaͤrd und misfallen empfangen.
Und habent daruff Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: wirf mit sampt
g–minen herren,Auslassung in StAZH B III 6, fol. 128r–g dem grossen raͧtOrganisation: , h–inen selbs und irenTextvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unnsselbs und unsern–h biderben lu̍ten in irenTextvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unserni stetten und
allenthalb uff dem land zuͦ frid und ruͦw, nutz, eren und guͦt, umb vermydung
vil costen und versu̍mnyß ir arbeiten, den handel soͤlicher appellationen halb fu̍r sichTextvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unnsj
genommen und Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unnsk erkentt und vereinbart, weͣr nun hinfu̍r in allen irenTextvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: irenl gerichten
und gepieten, es sye in steͣtten und uffem land, an weͣlichen ortten und enden das ist,
jemends umb dheinerley sach fu̍r m–die obgenantten unser herrenTextvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unns, den–m burgermeister und
raͤt diser stat Zu̍richOrt:
Organisation:
appellieren wyl, das der die selben appellation tuͦn und volstrecken
sol, inn form und maß als hienach geschriben staͧt, und namlich also:

Wellicher in bemelter n–unser herrenTextvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unnseren–n gerichten und gepieten zuͦ rechtfertigung kompt
und daselbs an einichen urteilen, so wider inn gangen weͣren, meinte besweͣrt zuͦ sin
und darumb fu̍r o–unser herrenTextvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unns–o appellieren woͤltte, das der soͤlichs glich zestund, der
selben tagzitt, e das gericht uff staͧt, vor dem richter und gericht, da die urteil
gegangen ist, tuͦn und das sinem widerteil verku̍nden sol. Und welicher das der tag
zitt sumpte oder verzuge, das der von der appellation sin und darnach nit macht
haben sol zuͦ appellieren.
Und das demnach der, so also geappelliert haͧt, innerthalb einem
manot
Zeitspanne: 1 Monat
dem nechsten an einenTextvariante in StAZH B III 6, fol. 128v: unserenp burgermeister umb annemung der sach und tagsatzung werben und och ein burgermeister, so fu̍rderlich es sin mag, darumb tag
geben sol.1
Und also tag geben und benempt wirt, so sol der, so geappelliert, ob die
hoptsach under fu̍nfftzig pfundenWährung: 50 Pfund ist, ein pfund hallerWährung: 1 Pfund , ist aber die hoptsach
fu̍nfftzig pfundWährung: 50 Pfund und darob, zwey pfund hallerWährung: 2 Pfund , vor und e die appellation gelesen und
der handel gehoͤrt werde, bar usrichten und zuͦ gmeiner Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128v: unserq statt hannden geben und
antwurtten, on alle fu̍rwort und verhindrung.
Und so einer die appellation verlu̍rt
und sich findt, das einer on notturfft und nit wol geappelliert haͧt, das derselb
dem widerteil den costen, dar in er von soͤlicher appellation wegen geworffen wirt,
abtragen und bekeren. Ob sich aber erfunde, das einer uß notturfft und wol geappelliert hette, das dann der selbig dem wyderteil des costens halb nu̍tzit pflichtig
sin sol.
Actum donstag vor dem sonntag misericordia domini, anno etcAbkürzung vijoOriginaldatierung: 15.4.1507, pntpresentibus
her burgermeister WyssPerson: , cleinen und grossen raͤtenOrganisation: .

Anmerkungen

  1. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: Ordnung der appellacionn.
  2. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: wir, der.
  3. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unßern.
  4. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unns.
  5. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: wir, fu̍r unns.
  6. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: wir.
  7. Auslassung in StAZH B III 6, fol. 128r.
  8. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unnsselbs und unsern.
  9. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unsern.
  10. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unns.
  11. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unns.
  12. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: iren.
  13. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unns, den.
  14. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unnseren.
  15. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128r: unns.
  16. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128v: unseren.
  17. Textvariante in StAZH B III 6, fol. 128v: unser.
  1. Zur Abhaltung von Gerichtstagen durch den Bürgermeister vgl. SSRQ ZH NF I/1/3, Nr. 19.