check_box_outline_blank zoom_in zoom_out
SSRQ ZH NF I/1/3 96-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 96-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Ordnung für Stadtschreiber und Unterschreiber der Stadt Zürich

ca. 1516 – 1518.

Für Stadtschreiber und Unterschreiber werden folgende Bestimmungen erlassen: Sämtliche mit dem Stadtsiegel oder dem Sekretsiegel versehenen Urkunden müssen durch Stadtschreiber oder Unterschreiber geschrieben werden (1). Ihre Ämter werden zwar nicht jedes Jahr neu besetzt, jedoch bleiben personelle Änderungen vorbehalten. Sofern Klagen über einen der beiden Schreiber geäussert werden, soll der Bürgermeister diese an den Rat bringen (2). Stadtschreiber und Unterschreiber sind in den Räten nicht befugt, sich zu den Geschäften selbst zu äussern, ausser sie werden von Bürgermeister oder Oberstzunftmeister dazu aufgefordert (3). Nach Niederlegung des Amtes oder Beurlaubung davon soll der Stadtschreiber fünf Jahre lang das Bürgerrecht der Stadt behalten, ausser ihm wird ausdrücklich etwas anderes erlaubt (4). Zur Entlohnung erhalten Stadtschreiber und Unterschreiber alljährlich 40 respektive 10 Gulden, aufgeteilt in vier Teilbeträge an den Fronfasten, zuzüglich Sachvergütungen und Neujahrsgeschenke. Alle durch Schreibarbeiten und Amtshandlungen eingenommenen Beträge sollen die beiden Schreiber miteinander teilen. Beiden stehen je ein Substitut und ein Lehrknabe als Gehilfen zur Seite (5). Die beiden Schreiber sollen ein Abschiedsbuch führen, in das sie die Beschlüsse der Tagsatzung notieren (6). Sämtliche Urteile des Ratsgerichts sind niederzuschreiben und den Parteien vorzulesen, auf Nachfrage sind Urkunden darüber auszustellen. Wer im Nachhinein noch eine Urkunde über ein Urteil des Ratsgerichts begehrt, hat dafür die Gebühr von einem Batzen zu entrichten (7). Die Gebühren für die Ausstellung von Kaufbriefen, letztwilligen Verfügungen, Pfandverschreibungen sowie Überschreibungen von Gütern und Renten, welche zuhanden von Bürgern, Hintersassen und Bewohnern der Landschaft mit dem Siegel der Stadt Zürich ausgestellt werden, sind im Folgenden einzeln geregelt, aufsteigend nach Höhe der darin übertragenen Kapitalsummen (8). Für die Überschreibung von Aussteuern und Morgengaben sollen die Schreiber geringere Beträge verlangen, nach ihrem Ermessen (9). Wenn nach sechs Monaten die Kanzleigebühren für ausgestellte Urkunden noch nicht entrichtet worden sind, sind die Schreiber ermächtigt, sich vom Bürgermeister einen Knecht stellen zu lassen und das ausstehende Guthaben einzutreiben (10).

Die vorliegende Ordnung ergänzt den Eid für Stadtschreiber und Unterschreiber (SSRQ ZH NF I/1/3 95-1). Sie stellt die erweiterte Fassung einer Ordnung dar, die am 1. Dezember 1515 anlässlich des Amtsantritts von Stadtschreiber Kaspar FreiPerson: und Unterschreiber Joachim vom GrüthPerson: erlassen worden war (StAZH B II 4, Teil II, fol. 56r; Edition: Zürcher Stadtbücher, Bd. 3/2, S. 256-257, Nr. 184).

Die Anstellung FreisPerson: und vom GrüthsPerson: erfolgte in einer für die städtische KanzleiOrganisation: schwierigen Situation, waren doch kurz zuvor innerhalb nur eines Monats sowohl Stadtschreiber Johannes GrossPerson: als auch Unterschreiber Jakob HaabPerson: gestorben, Letzterer als Feldschreiber bei MarignanoOrt: . Im Hinblick auf ihre Nachfolge wurde am 31. Oktober 1515 eine Ratskommission beauftragt, eine neue Ordnung für die Stadtschreiber auszuarbeiten (für die Einsetzung der dafür zuständigen Kommission vgl. StAZH B II 58, S. 21). Die beiden neu eingestellten Schreiber traten ihr Amt im Dezember 1515 an, erste Schriftstücke von ihren Händen sind vom Januar 1516 nachzuweisen (Gutmann 2010, Bd. 1, S. 291).

In der vorliegenden Fassung wurde die Ordnung schliesslich in das durch Unterschreiber vom GrüthPerson: mitkonzipierte neue Satzungsbuch der Stadt ZürichOrt: übertragen. Während die Ordnung vom Dezember 1515 hinsichtlich der Kanzleigebühren für die Ausstellung von Urkunden lediglich auf die noch immer in Gültigkeit befindliche, bereits während der Amtszeit von Stadtschreiber Michael SteblerPerson: erlassene Regelung aus dem Jahr 1432 (StAZH B II 4, Teil II, fol. 8r; Edition: Zürcher Stadtbücher, Bd. 3/2, S. 148-149, Nr. 32) verweist, werden die Gebühren in der vorliegenden Ordnung vollständig wiedergegeben. Die unter SteblerPerson: festgelegten Kanzleigebühren wurden dabei unverändert belassen und finden sich noch in den Satzungsbüchern des 17. Jahrhunderts. Eine deutliche Erhöhung fand im Lauf der Zeit jedoch bei den fixen Lohnzahlungen statt, welche Stadtschreiber und Unterschreiber jeweils zu den vier Fronfasten erhielten.

Analoge Ordnungen wurden während des 16. Jahrhunderts auch für die Schreiber auf der Landschaft erlassen (SSRQ ZH NF I/1/3 177-1).

Zum Amtsantritt von Stadtschreiber Kaspar FreiPerson: und der Ausarbeitung der neuen Stadtschreiberordnung vgl. Gutmann 2010, Bd. 1, S. 289-294; zu den Stadtschreibern und der städtischen KanzleiOrganisation: vgl. Weibel 1996, S. 24-26; zu Stadtschreiber Michael SteblerPerson: vgl. Sieber 2007; zu den verschiedenen Formen der Ausstellung und Beglaubigung von Urkunden durch die amtlichen Schreiber vgl. Sibler 2007.

Editionstext


Ordnung des stattschrybers
unnd underschrybers

Wir ordnent, setzent unnd erkennent, was briefen under unnser
statt Zu̍richOrt: großem insigel1 oder dem secret wirt besiglet unnd ußgat, das dasselbig unnser stattschryber oder underschryber sollint
schryben unnd su̍st das nit besiglet werden.
Unnd wiewol unns nit nodt bedu̍nckt, das umb dieselben unnser
schryber jerlichWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr, wie umb andre empter besatzung beschech2 unnd umb
gefragt werde, so behaltend wir unns doch vor, ob wir einen stattschryber
oder underschryber wollint endren oder nit. Unnd wo von inen
klegt kompt und das an einen burgermeister langt, sol unnser burgermeister das anbringen unnd demnach umb sy ein frag gehalten
werden.
[fol. 102r]Seitenumbruch
Es sol ouch ein statschryber noch underschryber in den reͣtenOrganisation: , so umb sachen
umgefragt wirt, nit gefragt werden noch iro einer fur sich selbs dartzuͦ
reden, es sy dann sach, das ein burgermeister oder obrister meister sy
heysse fragen, alß dann sollent sy dartzuͦ reden unnd raten, das sy bedu̍nckt.
Unnser statschryber sol ouch, so er sin ampt uffgidt oder wir im davon
urlob gebent, demnach fu̍nf jarZeitspanne: 5 Jahre unnser burger bliben, lut unnser
statt gesetzt und buͦch, im werde dann von unns anders erloupt.
Unnser stattschryber sol zuͦ voruß haben von unnser statt jerlichWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr a–viertzigUnterstrichen von späterer Handbc
gulden
Währung: 40 Gulden
Textvariante in StAZH B III 5, fol. 305v: sechtzig guldinWährung: 60 Gulden
–a, geteilt zuͦ den vier fronfastenWiederholte Zeitspanne: 3 Monate, die gannt, das holtz unnd die
guͦten jar, so im werdent, deßglich sol unnser underschryber voruß
haben von unnser statt d–zehenUnterstrichen von späterer Handef guldenWährung: 10 Gulden Textvariante in StAZH B III 5, fol. 305v: fünftzig guldinWährung: 50 Gulden –d, ouch geteilt zuͦ den vier fronfastenWiederholte Zeitspanne: 3 Monate,
das fyl holtz unnd die guten jar, so im werdent. Unnd demnach sollent
sy alles das, so sy mit schryben und von der empter wegen gewinnent,
mit ein ander glichlich teylen unnd sol ir jeder haben einen berichten
substituten unnd einen geschickten knaben.3
Item so sollen sy ouch ein abscheid buͦch machen und darin schryben
oder schryben lassen all abscheid, so zuͦ tagenOrganisation: werden gemacht.4
Sy oder ire substituten sollent ouch uffschryben all urteillen, so vor
unnserm ratOrganisation: ergond und die den parthyen vorleßen, unnd wer
der urteyln brieff begert, die soͤl man dem geben. Welicher aber der
urteyln brieff nit erfordert noch nimpt unnd doch darnach der
urteyl notu̍rfftig wirt, da sollent unnser schryber nit schuldig
syn, im die zesuchen oder zeoffnen, er geb dann zuͦvor inen einen
batzen
Währung: 1 Batzen
.
[fol. 102v]Seitenumbruch
Wir habent ouch geordnet unnd uns erkennt der belonung halb
umb koufbrief, gemechts brief5 unnd satzung, so under unnser statt
merem insigel ußgond, das sy unnser burger, hindersaßen und
landtlu̍t soͤllent halten nach den hopt summen, als in den briefen
ye geschryben unnd harnach statt.6
Item von einem brief, der sich gepu̍rt an der hoptsumm xx guldenWährung: 20 Gulden
oder xx pfundtWährung: 20 Pfund unnd darunder, sollent sy nemen vj Währung: 6 Schillinge zelon.
Item ob xx guldenWährung: 20 Gulden oder xx pfundenWährung: 20 Pfund x schillingWährung: 10 Schillinge zelon.
Item von l guldenWährung: 50 Gulden oder l pfundenWährung: 50 Pfund hoptgute, sollent sy zelon
nemen xv schilling ₰Währung: 15 Schillinge unnd von solchem hoptguͦt denselben lon biß
an 1c guldenWährung: 100 Gulden oder 1c libAbkürzungWährung: 100 Pfund .
Item von hundert guldenWährung: 100 Gulden oder hundert pfundenWährung: 100 Pfund hoptguts bis an zweyhundert guldenWährung: 200 Gulden oder pfundtWährung: 200 Pfund sollent sy nemen xxx  ₰Währung: 30 Schillinge .
Item ob zweyhundert guldenWährung: 200 Gulden oder pfundWährung: 200 Pfund sollent sy nemen xxxv
schilling
Währung: 35 Schillinge
.
Item von dru̍hundert guldenWährung: 300 Gulden oder pfundWährung: 300 Pfund sollent sy nemen zwey pfundWährung: 2 Pfund .
Item vonKorrigiert: obg dru̍ hundert guldenWährung: 300 Gulden oder pfundWährung: 300 Pfund sollent sy nemen zelon iiɉ libAbkürzungWährung: 2.5 Pfund .
Item von iiijc guldenWährung: 400 Gulden oder pfundWährung: 400 Pfund biss an funffhundert guldenWährung: 500 Gulden
oder pfundWährung: 500 Pfund iij pfund ₰Währung: 3 Pfund zelon.
[fol. 103r]Seitenumbruch
Item von funffhundert guldenWährung: 500 Gulden oder libAbkürzungWährung: 500 Pfund bis an achthundert guldenWährung: 800 Gulden
oder pfundWährung: 800 Pfund sollen sy nemen iiiɉ libAbkürzungWährung: 3.5 Pfund .
Item ob acht hundert guldenWährung: 800 Gulden oder pfundWährung: 800 Pfund untz an tusent guldenWährung: 1000 Gulden
oder pfundWährung: 1000 Pfund , davon sollent sy nemen iiij pfund ₰Währung: 4 Pfund zelon.
Item was der summ ist ob tusent guldenWährung: 1000 Gulden oder pfundWährung: 1000 Pfund , davon sollent
sy nemen nach bescheidenheit.
Item umb lipding stat es glich wie umb kauff, aber umb satzungen,
da ein man sinem wyb setzt ir heimstu̍r unnd morgengab, darinn
sollent sy sich nach den obgeschribnen summen bescheidenlicher halten,
dann umb kauff oder lipding, als sy dann du̍nckt.
Und damit sy irer belonung mu̍gent inkomen unnd die brief
geloßd werden, wenn sy die geschryben unnd besiglet habent, so
erloubent unnd gonnent wir inen, das sy je nach einem halben
jar
Zeitspanne: 6 Monate
unnd nachdem die brief besiglet werdent, das sy einen burgermeister mogent bitten, das er inen ein knecht geb, der inenn umb
iren lon, als obgeschriben stat, ingewinn von den luten, unnd das
sol dannn ein burgermeister thuͦn unnd deß vollen gewalt haben.

Anmerkungen

  1. Textvariante in StAZH B III 5, fol. 305v: sechtzig guldinWährung: 60 Gulden .
  2. Unterstrichen von späterer Hand.
  3. Hinzufügung oberhalb der Zeile von späterer Hand: 60Menge: 60.
  4. Textvariante in StAZH B III 5, fol. 305v: fünftzig guldinWährung: 50 Gulden .
  5. Unterstrichen von späterer Hand.
  6. Hinzufügung oberhalb der Zeile von späterer Hand: 50Menge: 30.
  7. Korrigiert: ob.
  1. Zur Geschichte der Zürcher Stadtsiegel vgl. Largiadèr 1942.
  2. Zur jährlichen Besetzung der städtischen Ämter auf Weihnachten vgl. SSRQ ZH NF I/1/3 102-1.
  3. An dieser Stelle folgt im Weissen Buch ein Zusatz vom 14. Januar 1636, wonach den Amtleuten auswärtiger Geistlicher und Prälaten der Zugang zur StadtschreiberkanzleiOrganisation: verwehrt werden und auch ihre Söhne dort keine Anstellung finden sollten (StAZH B III 5, fol. 305v).
  4. Zur Abschreibepraxis der Tagsatzungsbeschlüsse vgl. Jucker 2004, S. 187.
  5. Zur obligatorischen Genehmigung von Testamenten durch Bürgermeister und RatOrganisation: vgl. SSRQ ZH NF I/1/3 7-1.
  6. An dieser Stelle folgt im Weissen Buch ein Zusatz vom 6. Mai 1671. In Abänderung des Beschlusses von 1636 betreffend die Amtleute auswärtiger Geistlicher und Prälaten wird nun für die Söhne der Amtleute bei vorhandener Eignung die Möglichkeit zur Erteilung von Ausnahmebewilligungen durch den RatOrganisation: vorgesehen (StAZH B III 5, fol. 306r).