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SSRQ ZH NF I/2/1 192-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer

Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 192-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Pflichten der Inhaber von Pfründen an der Pfarrkirche in Winterthur

ca. 1500 – 1522.

Schultheiss und Rat von Winterthur beschliessen, dass künftig jeder Priester und Kaplan, dem eine Pfründe verliehen wird, die Einhaltung folgender Bestimmungen schriftlich versichern soll: Er soll die Bestimmungen der Urkunde über die Dotation der Pfründe einhalten (1). Er soll sich angemessen verhalten und mit keiner Konkubine oder Dienstmagd zusammenwohnen (2). Er soll sein Pfründhaus instand halten (3). Er soll ohne Zustimmung des Rats seine Pfründe nicht einem anderen Priester abtreten, tauschen oder auf andere Weise verändern (4). In einem Nachtrag wird hinzugefügt: Er soll 50 Gulden Kaution stellen für den Fall, dass er diese Bestimmungen nicht einhalte und der Stadt dadurch Kosten entstünden (5). Wenn jemand diese Bestimmungen übertritt, kann der Rat ihm die Pfründe entziehen und einem anderen Priester verleihen.

  • Signatur: STAW B 2/2, fol. 61v-62r
  • Originaldatierung: ca. 1500 – 1522 (Der undatierte Eintrag des Stadtschreibers Konrad Landenberg datiert vermutlich um 1500, der Nachtrag von der Hand seines Nachfolgers Gebhard Hegner um 1522 vor der Einführung der Reformation.)
  • Überlieferung: Eintrag
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 24.0 × 32.0
  • Sprache: Deutsch
  • Schreiber: Konrad Landenberg; Gebhard Hegner

Im Jahr 1488 hatten sich Schultheiss und Rat von WinterthurOrt: Organisation: und die Kapläne der Pfarrkirche auf eine Gottesdienstordnung verständigt, nachdem es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen der städtischen Obrigkeit oder dem Rektor und den Kaplänen aufgrund mangelnder Pflichterfüllung gekommen war, vgl. SSRQ ZH NF I/2/1 152-1. Im gleichen Jahr drohten Schultheiss und RatOrganisation: dem Prädikanten Lukas WüstPerson: aufgrund seines Lebenswandels den Entzug seiner Pfründe an, die Angelegenheit zog sich über Jahre hin (STAW B 2/5, S. 335, 496, 558-559); vgl. zu diesem Fall Ziegler 1900, S. 69-72. Die Strafkompetenz bei normabweichendem Verhalten von Geistlichen war dem Bischof von KonstanzOrt: vorbehalten, vgl. Neumann 2008, S. 58, 60; Albert 1998, S. 46, 100.

Der vorliegende Pflichtenkatalog für die Inhaber der Pfründen an der Pfarrkirche datiert vermutlich um 1500. Ein Eintrag in einem Ratsbuch vom 10. März 1507 über die Verleihung der Heiliggeistpfründe im SpitalOrganisation: an Rudolf WeberPerson: nimmt Bezug auf diese «artikel, so in das ratzbuͦch, ander caplaͤnen halb ze verinstrumentieren, geschriben staͧt» (STAW B 2/6, S. 260). 1519 zeigten Schultheiss und RatOrganisation: WeberPerson: bei dem Offizial der KonstanzerOrt: Kurie an, da er mit seiner Dienstmagd ein Kind gezeugt und es nach der Geburt nicht ausreichend versorgt hatte (STAW AM 182/20; Edition: Ziegler 1900, Beilage 5, S. 96). Bis zur Reformation mussten sich die Kapläne bei ihrer Einsetzung in die Pfründe zur Einhaltung dieser Bestimmungen verpflichten, vgl. beispielsweise SSRQ ZH NF I/2/1 217-1.

Editionstext

Artikel von verlihung der caplanyenpfruͦnden alhie in u̍nser pfarkilchen angesaͤhen

Es haben mine herren schulthaiß unnd raͤteOrganisation: umb besser fu̍rdrung goͤtlicher diensten uß sonder guͦter meinung angesaͤhen, das fu̍rohin allwaͤgen ein jeder priester und caplan, dem alhie ein pfruͦnd verlihen wirt, sich glouphaftig verinstrumentieren sol, dise nachvolgende artiklen unnd puncten ze halten.

[1] Nemmlich des ersten, das er alle unnd jegklich puncten unnd artiklen nach inhalt siner pfruͦnddotation mit allem begriff halten woͤlle.

[2] Zum andern, das er a–sin sinKorrigiert aus: sin–a wesen in allen zu̍chten und erberkait priesterlich als einem froͤmen priester zimpt, sich halten, insonder ouch kein offen concubin, dienstemagt oder ander arwaͤnig wiplich personen nit by im haben noch enthalten woͤlle, indhein wise.

[3] Zum dritten, das er siner pfruͦnd hus in guͦten eren unnd wesenlichen bu̍wen halten welle.

[4] Zum vierden, das er soͤlch sin pfruͦnd yemands andern priester nit uffgeben, verwechslen noch gantz kein ander endrung one verwilligung eins rautzOrganisation: damit tuͦn woͤlle.

[5] b–Zem fu̍nfften soll er ein trostung geben umb fu̍nfftzig guldinWährung: 50 Gulden , oͤb er soͤlich artickel nit hielte und dardurch aber wir in kosten kemend, alß dann soll der selbig troͤster die fu̍nfftzig guldinWährung: 50 Gulden unß ze geben schuldig sin.Hinzufügung am linken Rand von –b1

Unnd in woͤlchen hievor benanten stucken und artiklen er sich u̍bersaͤhe und die nit hielte und das kuntlich uff in gepraͧcht wurde, das er alsdann [fol. 62r]Seitenumbruch die selben sin pfruͦnd mit der getaut entsetzt unnd beroubet, also das die widerumb einem raͤteOrganisation: alhie ledig heimgefallen sin unnd demnach von einem raͤteOrganisation: einem andern priester verlihen werden sol, daran von im und mengklichem ungeirrt.

Anmerkungen

  1. Korrigiert aus: sin.
  2. Hinzufügung am linken Rand von .
  1. Diese Summe diente dem RatOrganisation: als Sicherheit für Auslagen bei einem etwaigen Verfahren an der KonstanzerOrt: KurieOrganisation: , vgl. Ziegler 1900, S. 55. Der Nachtrag von der Hand des Stadtschreibers Gebhard HegnerPerson: erfolgte wohl bald nach seinem Amtsantritt im Jahr 1522.