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SSRQ ZH NF I/2/1 300-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer

Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 300-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Feuerordnung der Stadt Winterthur

1550 Juli 1 – Dezember 31.

Der Kleine und der Grosse Rat von Winterthur haben eine Feuerordnung erlassen: Bei Brandalarm (Läuten der grossen alten Glocke) sollen die Torbeschliesser ihre Tore sichern. Bei Kriegsgefahr (Läuten der Weinglocke) sollen alle Bürger bewaffnet vor das Rathaus kommen mit Ausnahme derer, die bei den Wehranlagen und Toren eingeteilt sind (1). Eine Einsatzgruppe von 100 Mann soll mit Leitern zum Brandherd ausrücken, 50 Mann sollen bewaffnet vor das Rathaus kommen und auf Einsatzbefehle ihrer Hauptleute warten. Die Bevölkerung ist aufgerufen, mit Eimern zu Hilfe zu kommen und den Anordnungen der Verordneten Folge zu leisten (2, 4, 5). Die Wassergefässe sollen nicht geworfen, sondern von einem zum andern gereicht werden, damit niemand verletzt wird (16). In jeder Gasse sollen zwei Mann postiert werden, um auf Funkenflug zu achten, und Wasserkübel sowie Feuerleitern und Feuerhaken zentral gelagert werden (3, 8, 9). Zwei Mann sind abgeordnet, die Wasserversorgung durch den Rettenbach zu sichern, 12 Mann sorgen für die Wasserzufuhr (6, 7). Die Hausbewohner sollen vierteljährlich ihre Kamine von Russ säubern bei einer Busse von 5 Pfund für Säumnis (10). Bewohner von Steinhäusern in mittelbarer Nähe zum Brandherd, die ihren Besitz evakuieren statt zu helfen, werden bestraft (11). Wegen des Wäschewaschens kontrollieren Ratsverordnete mit den städtischen Werkleuten die Feuerstellen in den Häusern (12). Kommt nachts Wind auf, sollen die Scharwächter in jeder Gasse zwei Personen wecken, die von Haus zu Haus gehen und die Bewohner ermahnen, auf das Feuer zu achten (13). An den Eckhäusern sollen Lichter angezündet werden, um die Gassen zu beleuchten (14). Während des Kirchgangs an Sonntagen und Feiertagen soll in jedem Haus eine erwachsene Person das Feuer beaufsichtigen (15).

  • Signatur: STAW AF 59/1, S. 1-6
  • Originaldatierung: 1550 Juli 1 – Dezember 31 (Undatiert, Datierung aufgrund des Zusammenhangs mit STAW Se 27.68, S. 11)
  • Überlieferung: Aufzeichnung, Heft (18 Blätter)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 22.0 × 33.0
  • Sprache: Deutsch
  • Schreiber: Christoph Hegner

  • Signatur: STAW AF 59/2, S. 3-7
  • Originaldatierung: 1589
  • Überlieferung: Abschrift mit Ergänzungen (B 1)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 20.5 × 34.0
  • Sprache: Deutsch
  • Signatur: STAW AF 59/3a, S. 1-5
  • Originaldatierung: 1603
  • Überlieferung: Abschrift mit Ergänzungen (nach B 1)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 21.0 × 33.5
  • Sprache: Deutsch
  • Signatur: winbib Ms. Fol. 27, S. 521-523
  • Originaldatierung: Mitte 18. Jh. (Nicht verifizierbare Jahresangabe 1501)
  • Überlieferung: Abschrift
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 24.0 × 35.5
  • Sprache: Deutsch

Die vorliegende Feuerordnung zeichnete der WinterthurerOrt: Stadtschreiber Christoph HegnerPerson: auf, der von 1538 bis 1555 amtierte. 1534 existierte in WinterthurOrt: bezüglich der Prävention und Bekämpfung von Bränden «dhein besonder ordnung, dan allein das, so der, in woͤliches huß dan für uffgangen, dasselbig nit zem ersten saͤlbs meldet oder beschrigt, wirt gestrafft umb x  hallerWährung: 10 Pfund unablaͤslich», wie der Gemeinde ElggOrt: mitgeteilt wurde (ZGA Elgg IV A 3a, fol. 115r). Feuerpolizeiliche Massnahmen wurden vielmehr durch Einzelverordnungen getroffen, vgl. den Kommentar zu SSRQ ZH NF I/2/1 189-1. In der Anweisung, die Gebhard HegnerPerson: , ChristophsPerson: Vater und Vorgänger, seinem Sohn über den Ablauf der Ämterbesetzung vermutlich 1537 gab, wird eine Feuerordnung erwähnt, die öffentlich verlesen werden sollte (SSRQ ZH NF I/2/1 278-1). Auch in der Abschrift des Kopial- und Satzungsbuchs, das Gebhard HegnerPerson: anlegte und seine Nachfolger fortführten und das bis auf ein Fragment im Original nicht mehr erhalten ist, wird die Feuerordnung ohne den letzten Artikel wiedergegeben (winbib Ms. Fol. 27, S. 521). Die dort genannte Jahreszahl 1501 steht allerdings im Widerspruch zum Vermerk im ElggerOrt: Satzungsbuch. Wie der Säckelamtsrechnung für die zweite Hälfte des Jahres 1550 zu entnehmen ist, erhielt der Stadtschreiber Geld für die Erneuerung der Feuerordnung (STAW Se 27.68, S. 11). Dieser Eintrag bezieht sich vermutlich auf die vorliegende Fassung.

Weitere, teils modifizierte Abschriften der Feuerordnung datieren von 1589 und 1603 (STAW AF 59/2, S. 1-5; STAW AF 59/3a). Die Bestimmungen wurden jährlich anlässlich der Schultheissenwahl vor den versammelten Bürgern verlesen, wie aus dem Vermerk auf der Abschrift STAW AF 59/3a hervorgeht.

Zu Brandursachen, Brandverhütung und Brandbekämpfung in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten vgl. HLS, Feuerpolizei; HLS, Feuersbrünste; zur Situation in WinterthurOrt: vgl. Leonhard 2014, S. 250, 252; zur Situation auf der ZürcherOrt: Landschaft noch im 19. Jahrhundert vgl. Rothenbühler 2008, S. 23-25.

Editionstext

Dis ist die ordnung, so von beden raͤttenOrganisation: des fürs halb, wo das in unser statt (darvor gott alweg sin welle) uffgan wurde, zehalten angesechen und ernüwertt ist

[1] Item des erstenn ist geordnet, wan in der stat für uffgat, so mit der grossen alten gloggen oder gschrey gmeldet wirt, so soll yeder tharbeschliesser zuͦ sinem thar by geschwornem sinem eyde louffen und die thar versechen und sich mit sampt denen, so inen zuͦgeordnet werdent, von tharren nit enderen soͤllen, dan mit urlob eins schultheisen. Oͤb aber mit der wynglocken gestürmpt wurde, die selbig zuͦ den viggenden (darvor uns got ouch bewar) verordnet ist, so soͤllen alle burger mit iren gweren und harnisten für das rathusOrt: luͦffen, ußgenomen die, so uff die werynen und zuͦ den tharen verordnet, soͤllen sich alda enthalten und darvon gar nit üsseren.1

[2] Zem annderen soͤllen einhundertMenge: 100 wolvermügelicher manen ußgezogen werden, die für ander lüthe by iren eyden one verzug sollen dem für zuͦluͦffen und nach irem vermüggen [S. 2]Seitenumbruch sich durch leyteren oder sonst stiggende uff die taͤcher fuͤggen und das für, sovill inen zethuͦnd vermüggenlich ist, abwenden soͤllenn. Demnach was von alten oder junggen lüthen, es siggen frowen oder man, soͤllenn ouch zuͦluͦffen mit gelten oder gschyrren und sovill inen vermüglich hylff zethuͦnd mit allem dem, so zuͦ abloͤschung des fürs diennet.

[3] Am drittenn soͤllenn an jegklicher gassen zwenMenge: 2 man geordnet werden, wann für uffgat, das die an ire verordnete gassenn uff und abgann und flyssig uffsechenn habend, wo oder an woͤlichen enden das uffgeganngen für durch wynd oder lufft sich neiggen welle.

[4] Zem vierden sind fünffzygMenge: 502 manen ußgezoggen, die selbigen, so bald man zem für stürmpt oder an die gloggen schlacht, soͤllen by iren eydenn mit iren harnist und geweren für das rathusOrt: louffen und alda warten, oͤb man iren bedoͤrffenn wurd. Unnd was sy von irem hoptman geheyssen, soll von inen volstreckt werdenn.

[S. 3]Seitenumbruch

[5] Es soͤllenn ouch alwaͤggen houptlüthe zem für erwoͤlt werden, so uff anwysung des volcks flyß haben soͤllen, damit sich niemand in arbeit spare. Unnd was von den selben hoptlüten geheyssenn und zethuͦnd angeschlagen wirt, das sol vom volck mit gehorsamy erstattet werdenn.

[6] Item es soͤllenn ouch zwenMenge: 2 man verordnet werden, die alweggenn, so brunst uffgat, zem RettenbachOrt: acht habenn, damit das wasser in die stat geverget werden, deßglichen soͤllen alle müller zethuͦnd schuldig sin by iren eydden.

[7] Item es soͤllen ouch zwoͤlffMenge: 12 starcker man verordnet werdenn, so bald für uffgiennge, das sy von stundan mit iren geschyrren usserthalb am RettenbachOrt: usser dem wygger waser in kenner schoͤpffenn, damit kein mangell an wasser werde.

[8] Item es soͤllen ouch in jegklich gassenn insonder geltenn gemacht und einer person in ir keller geleyth werden, wan für uffgat, das soͤlich geltenn herfür gethann und sonst in kein ander weg geprucht werden soͤllen, by iren eyden. Und wan das für gestyldt wirt, soͤllenn dieselben alweggen soͤlich gelten wyderumb zuͦ irem behalt versorggenn.

[S. 4]Seitenumbruch

[9] Deßglychenn soͤllen ouch insonder zuͦ den für leitteren und für haggen gemacht und die selben an jecklich gassen mit einer sonder behaltnus versorgt und darzuͦ sonder etlich personen verordnet werden, so bald für uffgat, das die selben soͤlich leytern und haggen ilends zem für getraggen, by iren eydenn, und demnach, so das für vergienge, wyderumb an ir geordnet stat traggen und versorggen soͤllenn.

[10] Item es soll ouch ein yegklicher by sinem eyde schuldig sin, mit sinem hußgsind zeverschaffenn, ire kaͤmy alweggen zuͦ allen fronfastennDatum: beweglicher Feiertag als Termin/Frist von unden uff byß an das tach und under dem tach den ruͦss suber vonn danen zewüschenn. Von wem das übersechenn wirt, gibt zuͦ buͦß v Währung: 5 Pfund , on gnad, so dick das beschicht.

[11] Item es soll ouch by der hochenn buͦß niemands von sinem huß, das von stein gemacht ist, nützet floͤchnen, wo das für am dritten hus von desselben huse uffgiennge, und nit naͤcher, sonnder yederman zum uffgegangnen für illends a louffen schuldig sin, doch der hoͤltzinen hüser halb soll soͤlich floͤchnen ungevarlich geachtet werdenn.

[12] Item es soll ouch von des sechtes3 wegenn in den hüsern allenthalben von beydenn raͤtenOrganisation: geordnet werdenn, die soͤlich gwarsamy der herdstatenn in kuchyn, von den kaͤmyn und aller gelegenheyt ordenlich besechenn soͤllen mit sampt gemeiner stat wercklüthenn. Und was zuͦ fürsechung [S. 5]Seitenumbruch des fürschadenns zefürkomenn sy nutzlich und noturfftig sin zemachen bedenckb oder in wolichen hüser und an welichen ennden sy zesechtenn und zefüren verbiettenn, das sol gestraxs gehaltenn werdenn by der buͦß, so sy darüber zesetzen hannd.4

[13] Item wann ouch nachtsZeitspanne: nachts der wynnd waͤygt, so soͤllenn die scharwachter by iren eydenn schuldig sin, an jegklicher gassen zwenMenge: 2 man uffcweckenn. Die selben zwenMenge: 2 alßdann ouch by iren eyden schuldig sin soͤllen, an der selbenn ir gaßen in jegklichem hus die menschen (wie von altemhaͤr brüchig gwessen) zuͦermunderen und zewecken unnd inen ernstlich bevolchenn, jegklichs in sinem huse zem für zeluͦggen. Unnd soͤllend ouch die selben zwenMenge: 2 man von den selben iren gaßen nit abgan, bitz der wynd gestyllet wirt.

[14] Item es soͤllennd ouch in allenn gaßenn an den orthüsern5 die liechtpfannen vonn denen, so in den selben hüsere wonend, glich one verzug mit dem zügge, so inen von der stat ingeantwurt wirt, soͤlich liechter by irenn eydenn anzündenn, damit der schynn des liechts uff den gassenn wol schynne.

[15] Es soll ouch an dem sontagWiederholte Zeitspanne: 1 Woche und ander gepannen firttagen, so das volck in die kylchenn gat, in jegklichem huse an dem morgenZeitspanne: morgens ein gewachsen mensch sin und darine blyben byß ein ander mensch von der kylchenn darin kompt.

[S. 6]Seitenumbruch

[...]Editorisch irrelevant6

[16] d–Es wellent ouch min heren schultheis und rathOrganisation: üch all, sampt und sonders, mengklichHinzufügung am linken Rande, zuͦ gutem vermandt haben, so uns mittler zythen der almechtig gott (dar vor erHinzufügung oberhalb der Zeilef uns alweg beschirmen welle) mit fürs nott solte heimsuchen und angriffen, das denhin ein jeder, so bsynndt sin welle und nit grad die gschier, sy sigen dan lidere oder holtzin, freffenlich von im werffen, besonders ye einer dem andern der ordnung nach darbietten und von im geben. Dan uss solichem hinwerffen g dem zulouffenden volck glich grosser schad und verletzung, darzu ouch daruss erwachsen, h–das mangell an gschiren sin moͤchte.Hinzufügung auf der gegenüberliegenden Seite–hHinzufügung am unteren Rand–d7

Anmerkungen

  1. Streichung: zuͦ.
  2. Streichung: et.
  3. Streichung: z.
  4. Hinzufügung am unteren Rand.
  5. Hinzufügung am linken Rand.
  6. Hinzufügung oberhalb der Zeile.
  7. Streichung: nit allein grosser schad.
  8. Hinzufügung auf der gegenüberliegenden Seite.
  1. Diese Massnahme geht zurück auf einen durch den Chronisten Laurenz BosshartPerson: überlieferten Ratsbeschluss zur Zeit des Zweiten Kappelerkriegs im Herbst 1531, dass Feuer durch die Weinglocke im alten Turm der Pfarrkirche und Kriegsgefahr durch die grosse Glocke im neuen Turm angezeigt werden sollte (Bosshart, Chronik, S. 274). Vermutlich verwechselte er die beiden Glocken.
  2. Im 17. Jahrhundert wurde dieser Trupp auf 40 Mann reduziert (vgl. die nachträgliche Korrektur in STAW AF 59/3a, S. 2).
  3. Wäsche laugen oder auskochen (Idiotikon, Bd. 7, Sp. 243).
  4. Vgl. den Eid der Feuerschauer (SSRQ ZH NF I/2/1 189-1). Die Fassung in der Abschrift des von Gebhard HegnerPerson: angelegten Kopial- und Satzungsbuchs hat an dieser Stelle den Zusatz: «Deßglichen von besichtigung und buwen der hoffstatten zu sonderen sechthäußlin vor den thoren oder in der stadt an ettlichen enden ze machen, soll mit ordnung allwegen versechen werden.» (winbib Ms. Fol. 27, S. 522-523).
  5. Eckhaus (Idiotikon, Bd. 2, Sp. 1706).
  6. Den folgenden Artikel fügte Christoph HegnerPerson: in Konzeptschrift in zwei Versionen hinzu. Die erste, sehr flüchtig oben auf der Seite niedergeschriebene Version mit nachträglichen Korrekturen wurde wieder gestrichen, daher wird sie hier nicht wiedergegeben. Es folgt ein Ratsbeschluss betreffend den Holzverkauf aus dem städtischen Wald und daran anschliessend am unteren Rand der Seite die zweite Version des nachgetragenen Artikels.
  7. Die Fassungen der Feuerordnung von 1589 und 1603 enthalten diesen Artikel (STAW AF 59/2, S. 4-5; STAW AF 59/3a, S. 5), die Fassung in der Abschrift des erwähnten Kopial- und Satzungsbuchs nicht (winbib Ms. Fol. 27, S. 523).