SSRQ ZH NF I/1/3 151-1
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die
Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich.
Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner
Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 151-1
Lizenz: CC BY-NC-SA
Vertrag zwischen Stadt und Landschaft Zürich (Kappelerbrief)
1532 Februar 3. Zürich
Stückbeschreibung
- Signatur: StAZH C I, Nr. 3268
- Originaldatierung: 1532 Februar 3 Überlieferung: Original (A 1)
- Beschreibstoff: Pergament
- Format B × H (cm): 68.0 × 40.5 (Plica: 12.0 cm)
- 1 Siegel:
- Stadt ZürichPerson: , Wachs, rund, angehängt an Pergamentstreifen, beschädigt
- Sprache: Deutsch
-
Edition
- Bullinger, Reformationsgeschichte, Bd. 3, S. 284-291
- Balthasar, Helvetia 3, 1827, S. 490-498 (beide nach dem Ratsmandat vom 9. Dezember 1531)
Nachweis
- Moser 2012, Bd. 1, S. 207, Nr. 319
Weitere Überlieferungen
- Signatur: StAZH C I, Nr. 3268 a
- Originaldatierung: 1532 Februar 3 Überlieferung: Original (A 2)
- Beschreibstoff: Pergament
- Format B × H (cm): 62.5 × 51.5 (Plica: 8.5 cm)
- 1 Siegel:
- Stadt ZürichPerson: , Wachs, rund, angehängt an Pergamentstreifen, beschädigt
- Sprache: Deutsch
- Signatur: StAZH A 95.2, Nr. 1.1.5
- Originaldatierung: 1532 Februar 3 (Datierung gemäss Archivvermerk (19. Jh.)) Überlieferung: Entwurf (4 Doppelblätter)
- Beschreibstoff: Papier
- Format B × H (cm): 22.5 × 33.5
- Sprache: Deutsch
- Signatur: StAZH B III 65, fol. 421r-423r
- Originaldatierung: ca. 1545 – 1550 Überlieferung: Abschrift
- Beschreibstoff: Papier
- Format B × H (cm): 23.5 × 32.5
- Sprache: Deutsch
Kommentar
Nach dem Abschluss des Zweiten KappelerOrt: Landfriedens (StAZH C I, Nr. 403) hatte sich die ZürcherOrt: Obrigkeit mit den Beschwerden ihrer Untertanen auseinanderzusetzen. Die sogenannten Meilener Ort: Artikel gingen am 28. November 1531 in schriftlicher Form ein (StAZH A 95.1, Nr. 10.2). Bereits am 9. Dezember konnte eine Übereinkunft mit der Landschaft in Form eines Ratsmandats erzielt werden, das substantielle Zugeständnisse seitens der Stadt enthielt (StAZH A 93.2, Nr. 68). Als die Untertanen jedoch ihren Druck aufrechterhielten und noch zusätzliche Artikel einreichten (SSRQ ZH NF I/1/3 150-1), liess die Obrigkeit die Übereinkunft als Urkunde in zwei Exemplaren ausstellen, wobei eines bei der Stadt verblieb, das andere der Landschaft überlassen wurde. Das zeitgenössisch meist als Pfaffenbrief bezeichnete und erst später unter dem Namen Kappelerbrief bekannt gewordene Dokument stimmt inhaltlich im Wesentlichen mit dem Ratsmandat vom Dezember 1531 überein. In der Urkunde sind vor allem die Ausführungen zur Verurteilung fehlbarer Hauptleute sowie zur Ahndung von Kriegstreiberei kürzer gehalten. Zudem fehlt die im Ratsmandat enthaltene Anweisung an die Zunftmeister, die Übereinkunft gegenüber ihren Zunftbrüdern zu erläutern.
Ebenso wie das Ratsmandat basiert somit auch die Urkunde auf den MeilenerOrt: Artikeln. Die Kernforderungen der Landschaft lassen sich noch weiter zurück bis zu den Beschwerdeschriften verfolgen, die der MännedorferOrt: Kommandant Jörg ZollingerPerson: noch während der Kampfhandlungen an die Obrigkeit sandte (StAZH A 230, Nr. 87). Exponenten der ländlichen Oberschicht wie Zollinger dürften somit als Meinungsbildner innerhalb der Landschaft aufgetreten sein, die nach Durchsetzung ihrer wichtigsten Forderungen auf einen Ausgleich mit der Stadt setzten. In Heinrich BullingersPerson: Darstellung werden diese Verfechter einer einvernehmlichen Lösung als bescheidne lüth (Bullinger, Reformationsgeschichte, Bd. 3, S. 284) bezeichnet. Die von anderen Geschichtsschreibern vertretene These einer Aufstachelung der Landbevölkerung durch oppositionelle Fraktionen innerhalb der städtischen Oberschicht greift deshalb sicherlich zu kurz (Stumpf, Reformationschronik, Bd. 2, S. 266; Vadian, Diarium, S. 308). Allenfalls darauf hindeuten könnte die im vierten Artikel formulierte institutionelle Stärkung des Kleinen RatsOrganisation: und die Bevorzugung alteingesessener Geschlechter (vgl. Meyer 1976, S. 260).
Anders als im Waldmannhandel 1489 sowie im Anschluss an die Unruhen des sogenannten Lebkuchenkriegs 1515-1516 vermochte die ZürcherOrt: Obrigkeit nach dem Kappelerkrieg die Bedingungen des Ausgleichs mit der Landschaft alleine und in ihrem eigenen Namen zu erlassen. Der Passus betreffend Einbeziehung der Landbevölkerung in wichtigen aussenpolitischen Fragen war eine rechtliche Sanktionierung der bereits existierenden Praxis der Ämteranfragen, die Ende des 15. Jahrhunderts eingesetzt hatte, im Zuge der Reformation jedoch seltener geworden war (exemplarisch: SSRQ ZH NF I/1/3 127-1). In der Folge gelang es dem Zürcher RatOrganisation: gerade auch mittels dieses Instruments, einen politischen Kurs zu finden, der auf die eigenen Untertanen ebenso Rücksicht nahm wie auf die Fünf OrteOrganisation: . Dies geschah erstmals anlässlich des sogenannten LunkhoferOrt: Handels des Jahres 1532 (StAZH A 95.2, Nr. 1.2). Ihren eigenen Standpunkt durchsetzen konnte die Obrigkeit insbesondere in Bezug auf die Pfarrwahl: Diese ging nicht an die Gemeinden auf dem Land, sondern sie erhielten lediglich ein Beschwerderecht und auch die Pfründen wurden nicht wie in den MeilenerOrt: Artikeln gefordert für jeweils nur ein Jahr vergeben.
Die Ereignisse im Anschluss an den Zweiten Kappelerkrieg waren auf lange Sicht das letzte Mal, dass die ZürcherOrt: Landschaft geeint handelte, um der Obrigkeit Zugeständnisse abzuringen. Während des 17. und 18. Jahrhunderts vermochte die Stadt, eine zunehmend homogene Territorialherrschaft zu errichten und bestehende Elemente der ländlichen Selbstverwaltung zurückzudrängen. In diesem Zusammenhang wurde auch die der Landschaft ausgehändigte Zweitausfertigung des Kappelerbriefs (StAZH C I, Nr. 3268 a) wieder eingezogen. Abschriften davon sowie der Waldmannschen Spruchbriefe (exemplarisch: SSRQ ZH NF II/3 38-1) entfalteten jedoch im sogenannten Stäfnerhandel (1794-95) noch einmal grosse Wirkung: Sie wurden von Heinrich NehracherPerson: und anderen Mitgliedern der Stäfner LesegesellschaftOrganisation: angeführt, um althergebrachte Rechte der Landschaft zu belegen und ihre von der Aufklärung beeinflussten Argumente zu untermauern. Die Obrigkeit sah sich demgegenüber veranlasst, in einer gedruckten Erklärung vom Juli 1795 die Urkunden als rein historische Dokumente zu beschreiben, denen keine juristische Gültigkeit für die Gegenwart mehr zukommen könne (ZBZ Gal Sp 166: 2,2).
Allgemein zu den Kappelerkriegen vgl. HLS, Kappelerkriege; zum Zweiten Kappelerkrieg und den unmittelbaren Kriegsfolgen vgl. Stucki 1996, S. 212-219; Meyer 1976, S. 255-267; Maeder 1974, S. 127-137; zur Bedeutung des Kappelerbriefs im Kontext der Entwicklung städtischer Territorialherrschaft vgl. Largiadèr 1920, S. 45-49; Dändliker 1898, S. 175-180; für die Rezeption im 18. Jahrhundert vgl. Mörgeli 1995; Hunziker, Unruhen, S. 271-273.
Editionstext
Textvariante in StAZH B III 65, fol. 421r-423r: Vertrag mit den ussern, uff den Capplerkrieg gemachta Textvariante in StAZH B III 65, fol. 421r-423r: Das original ist in der sacristy, trucken 41Menge: 41, no 11Menge: 11b
Anmerkungen
- Textvariante in StAZH B III 65, fol. 421r-423r: Vertrag mit den ussern, uff den Capplerkrieg gemacht.↩
- Textvariante in StAZH B III 65, fol. 421r-423r: Das original ist in der sacristy, trucken 41Menge: 41, no 11Menge: 11.↩
- Textvariante in StAZH C I, Nr. 3268 a: erpüttig.↩
- Textvariante in StAZH B III 65, fol. 421r-423r: deßhalb.↩
- Es handelte sich bei den Geheimen Räten um ad hoc gebildete vorberatende Ausschüsse, an denen sich auch Huldrych ZwingliPerson: , auf den die nachfolgende Bemerkung gemünzt ist, als Berater beteiligt hatte, vgl. Jacob 1970, S. 20-21; Meyer 1976, S. 68-89.↩
- Dieser Passus dürfte sich auf die vor dem Kappelerkrieg verfolgten Pläne eines Zusammengehens der reformierten Orte mit dem Schmalkaldischen BundOrganisation: und das 1530 abgeschlossene Abkommen mit Landgraf Philipp von HessenPerson: beziehen, vgl. Meyer 1976, S. 49-67.↩
- Gemeint ist der am 26. Juni 1529 geschlossene Erste Kappeler Landfriede (StAZH C I, Nr. 403 c, Edition: EA, Bd. 4/1b, S. 1478-1483, Beilage 8).↩
- Die Zweitausfertigung (StAZH C I, Nr. 3268 a) weist zwei abweichende Dorsualvermerke auf: «Der gemeind nach dem CappelerOrt: krieg brieff, de anno 1532Datum: 1532»; «Von burgermeister, rath, groß rath der stadt ZürichOrt: Organisation: brief für verschiedene lantgemeinden des cantons ZürichOrt: ».↩
Regest