SSRQ ZH NF I/1/3 9-1
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die
Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich.
Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), by Michael Schaffner
Citation: SSRQ ZH NF I/1/3 9-1
License: CC BY-NC-SA
Erläuterung zum Urteil des Konstanzer Offizialgerichts betreffend die Klage der Anna Kramer auf Anerkennung ihrer Ehe mit Heinrich Halbeisen
1472.
Metadata
- Shelfmark: StAZH B VI 228, fol. 173r
- Date of origin: 1472 (Datierung aufgrund des vorangehenden Eintrages) Transmission: Eintrag
- Substrate: Papier
- Format h × w (cm): 25.0 × 33.5
- Language: German
-
Edition
- Matter-Bacon 2016, S. 48, Anm. 181
Comments
Die vorliegende Aufzeichnung gibt einen Einblick in das Verfahren vor dem bischöflichen OffizialgerichtOrganisation: in KonstanzPlace: . Sie entstand im Rahmen eines Nachgangs wegen der Ehrverletzungsklage des Heinrich HalbeisenPerson: gegen seinen Zunftbruder Heinrich ZimberisenPerson: (StAZH B VI 228, fol. 172r-v). Der Beklagte hatte HalbeisenPerson: als meineidig bezeichnet und war darauf vom ZürcherPlace: RatsgerichtOrganisation: aufgefordert worden, seine Aussage zu belegen. Im Rahmen der Untersuchungen ergab sich, dass HalbeisenPerson: tatsächlich vor dem OffizialgerichtOrganisation: eine Falschaussage unter Eid getätigt hatte, weshalb die Klage gegen ZimberisenPerson: fallen gelassen wurde.
Bis zur Reformation war das geistliche Gericht des KonstanzerPlace: OffizialsOrganisation: die wichtigste Anlaufstelle für Zürcherinnen und Zürcher in Ehesachen. Das Feld der Ehegerichtsbarkeit war ausdrücklich ausgenommen von dem im Bürgereid verankerten Verbot, fremde Gerichte anzurufen (SSRQ ZH NF I/1/3 29-1).
Die vorliegende Aufzeichnung steht zudem beispielhaft für die häufig vor dem OffizialgerichtOrganisation: verhandelten Eheansprachen, also Klagen auf Anerkennung von Ehen infolge eines umstrittenen Eheversprechens. Nach kanonischem Recht genügte das gegenseitige verbindliche Versprechen von Mann und Frau, um das Sakrament der Ehe zu stiften. Diese Formlosigkeit der Eheschliessung bot jedoch Raum für Rechtshändel, da sie im Nachhinein von einer der involvierten Parteien oder deren Familien bezweifelt oder abgestritten werden konnte. In diesem Fall blieb, sofern eine aussergerichtliche Einigung nicht möglich war, nur eine Klage auf Anerkennung der Ehe vor dem geistlichen Gericht. Wie die vorliegende Aufzeichnung zeigt, spielten die Aussagen von Zeugen, bei denen es sich in vielen Fällen um Verwandte, Bekannte oder Nachbarn gehandelt haben dürfte, eine entscheidende Rolle für das Urteil des Offizials. Um zu verhindern, dass solche Verfahren ohne ausreichende Grundlage eingeleitet wurden, verhängte der Zürcher Place: RatOrganisation: gegenüber unterlegenen Klägerinnen und Klägern eine Busse von 10 Pfund (SSRQ ZH NF I/1/3 56-1). Im Zuge der Reformation ging in ZürichPlace: die Zuständigkeit für Ehesachen an das neu geschaffene Ehegericht Organisation: über (SSRQ ZH NF I/1/11 1-1).
Zur Thematik der Eheansprachen vgl. Matter-Bacon 2016, S. 45-49; 61-68; Burghartz 1990, S. 171-174; zum kanonischen Eherecht vgl. Matter-Bacon 2016, S. 37-42; zum OffizialgerichtOrganisation: sowie allgemein zum Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Ehegerichtsbarkeit im vorreformatorischen ZürichPlace: vgl. Bauhofer 1936, S. 20-29; Köhler 1932, S. 6-27.
Edition Text
In der elichen sach vor ziten ufferstanden zwu̍schent Annen
KromerinnenPerson: von BadenPlace: an eim und Heinrichen HalbysenPerson: von
Zu̍richPlace: am andern teilen, sind beid jetzgenanten partyen
zuͦ CostentzPlace: vor dem official derselben sach halb in das recht
getraͤtten und handAddition above the linea daselbs vor ime liblich zuͦ gott und den heiligen
gelert eid gesworn b, ein warheit zuͦ sagen, wie sich die
sachen zwu̍schent inen beiden verloffen habent mit worten
oder werken, nach dem und sy gott dem almechtigen an dem
jungsten tag darumb antwurten und ir sel und ere behalten
wellten. Und als nach soͤlichem die egenant Anna KromerinPerson:
verhoͤrt ist und ir sachen muntlich by irem geswornen eide
furgeben hat und die selb ir sag in geschrifft gesetzt, so ist
der egeseit Heinrich HalbysenPerson: uff ira fu̍rbringen und sag
oͧch verhoͤrt und haͧt geantwurt und geredt in massen, das
er by sinem geswornen eide logembar gewesen ist, deß so dann
die genant Anna KromerinPerson: der e halb geredt und fu̍rbracht hatt.
Desshalb der genant herr official sich im rechten erkant,
das die genant Anna KramerinPerson: ir sag, red und fu̍rbringen,
als dann der genant Heinrich HalbysenPerson: deß, als obstat, by
sinem eide gelognet hatt, wysen und kuntlich machen
soͤlte. Uff das, so haͧt die selb Anna KramerinPerson: mit nu̍nAmount: 9
zugen, geistlichen und weltlichen personen, die all by
iren geswornen eiden darumb ges[eit]Damage through faded ink, restored by analogyc hand ir sag, red
und fu̍rbringen, als dem Heinrich HalbysenPerson: die by sinem
geswornen eide gelognet hatt, recht und zum rechten
gnuͦgsamlich gewyst und kuntlich gemacht, also und
in maͧssen, das der obgenant herr official den egeseiten
Heinrichen HalbysenPerson: der genanten Annen KramerinenPerson:
mit urteil zuͦ gericht hat als iren elichen man. Und
haͧt oͧch von sachen wegen, die den genanten herren official
darzuͦ bewegt hand, den selben Heinrichen HalbysenPerson: mit
urteil gestrafft und gebuͦsset umb zwey pfunt pfenig
CostentzerPlace: mu̍ntzCurrency: 2 lb of Konstanz an den buw der kilchen ze CostentzPlace: zuͦ geben.
Regest