SSRQ ZH NF I/2/1 152-1
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer
Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 152-1
Lizenz: CC BY-NC-SA
Bestätigung der Gottesdienstordnung an der Pfarrkirche in Winterthur durch den Bischof von Konstanz
1488 Oktober 28. Konstanz
Stückbeschreibung
- Signatur: STAW URK 1642
- Originaldatierung: 1488 Oktober 28 Überlieferung: Original
- Beschreibstoff: Pergament
- Format B × H (cm): 49.0 × 44.0 (Plica: 6.5 cm)
- 1 Siegel:
- Bischof Otto von KonstanzPerson: , Wachs in Schüssel, spitzoval, angehängt an Pergamentstreifen, gut erhalten
- Sprachen: Latein, Deutsch
Kommentar
Den Inhabern der Pfründen der WinterthurerOrt: Pfarrkirche wurde seitens des Rektors und der städtischen Obrigkeit immer wieder mangelnde Pflichterfüllung vorgeworfen. 1436 mahnte der Generalvikar von KonstanzOrt: den Frühmesser Konrad RiethuserPerson: auf Klage des RatsOrganisation: , der im Stiftungsbrief seiner Pfründe vorgeschriebenen Residenzpflicht nachzukommen (STAW URK 750; Regest: REC, Bd. 4, Nr. 9852). Im Jahr 1468 wandten sich Schultheiss und RatOrganisation: infolge der Auseinandersetzungen zwischen dem Rektor und einem Kaplan an den Bischof von KonstanzOrt: mit der Bitte, diesen anzuweisen, seine Pfründe zu versehen, oder ihnen zu gestatten, einen anderen Priester einzusetzen (STAW B 2/3, S. 7). Einige Jahre später ermahnte der RatOrganisation: die Kapläne unter Androhung des Entzugs ihrer Opfer, ihre Aufgaben gegenüber dem Rektor zu erfüllen, sich in der Kirche und auf dem Kirchhof angemessen zu verhalten, einen priesterlichen Lebenswandel zu pflegen und ohne triftigen Grund nicht abwesend zu sein (STAW B 2/3, S. 189; Edition: Ziegler 1900, S. 67). Im Herbst 1481 bekräftigte er seine Absicht, die Kapläne mit dem Verlust ihrer Oblationen zu bestrafen, die dem Rektor nicht gehorchten und sich ohne Erlaubnis entfernten. Unter anderem musste dem Kaplan Jakob ReinboltPerson: das Jagen verboten werden (STAW B 2/3, S. 472). Vgl. hierzu Niederhäuser 2020, S. 28-31, 49.
Rektor Peter KaiserPerson: reklamierte selbst für sich die Kompetenz, Kaplänen, die ihm nicht assistierten, die Opfergelder vorzuenthalten, bis sie um Gnade baten und ihr Missverhalten bekannten (STAW AM 182/5; vgl. STAW URK 1296; Regest: REC, Bd. 4, Nr. 13999). Anfangs billigten Schultheiss und RatOrganisation: KaisersPerson: Vorgehen, forderten ihn aber später doch auf, ihnen die ungehorsamen Kapläne zu melden (STAW B 2/3, S. 469, vgl. SSRQ ZH NF I/2/1 122-1).
Zu den Pflichten und Aufgaben der Kapläne an der WinterthurerOrt: Pfarrkirche vgl. Ziegler 1900, S. 9-14. Zur weltlichen Kirchenaufsicht, die in der Sorge um das Seelenheil der Gemeindemitglieder begründet war, vgl. SSRQ ZH NF I/2/1 30-1.
Editionstext
OttoPerson: dei et apostolice sedis gracia episcopus ConstanciensisOrt: universis et singulis presentes litteras inspecturis et audituris subscriptorum noticiam indubitatam
cum salute in domino sempiterna. PoKorrigiert: aastoralis nobis iniuncte servitutis cura deposcit, ut honesta et laudabilia personarum nobis subiectarum statuta maturo libramine digesta, per que divinus cultus adaugetur, salus animarum procuratur, paci et tranquillitati personarum divino obsequio mancipatarum consulitur ac morum
venustas et decor earundem promoventur ac futuris rancoribus et dispendiis occurritur, paterne confoveamus et, ut perdurent, nostre auctoritatis presidio corroboremus, prout
in deo conspicimus salubrius expedire. Sane itaque honorabiles nobis in Christo dilecti capellani ecclesie parrochialis in WintterthurOrt: necnon providi et circumspecti viri domini
scultetus et consules dicti opidi WintterthurOrt: Organisation: nostre ConstanciensisOrt: dyocesis nonnulla salubria et honesta statuta per eos maturo consilio edita inter eos fideliter a singulariter singulis,
quos concernere noscuntur, deinceps servanda nobis exhibuerunt, sperantes, quod sub illorum diligenti custodia laus divina et animarum salus amplientur, disciplina ecclesiastica inter eos vigeat ac status eorundem in melius dirigatur rerumque earum crescat incrementum. Sed quia statuta huiusmodi et ordinaciones in eis contentas nisi ordinaria nostra concurrat approbans auctoritas, formidant in futurum deficere posse et non subsistere. Quapropter officium nostrum pastorale humiliter implorando petiverunt illa pro
eorum perpetua subsistencia auctoritate nostra approbari et stabiliri. Nos itaque statutis et ordinacionibus huiusmodi visis, lectis et diligenter examinatis, quia ea licita, honesta et racionabilia
fore et in divini cultus ac animarum salutis pacisque et unionis incrementum ac confratrum predictorum decorem tendere conspeximus, idcirco peticioni huiusmodi
ut licite et racioni consone annuentes, statuta eadem et singula in eis ordinata, prout sunt subinserta, omniaque alia inibi expressa rata habentes et grata ex certa sciencia
auctoritate nostra ordinaria duximus approbanda et confirmanda atque in dei nomine pro eorum perhempni subsistencia presentis scripti patrocinio approbamus, communimus et confirmamus,
volentes et decernentes illa a singulariter singulis iugiter custodiri et observari ac eis nusquam derogari debere ac supplentes, quantum in nobis est, omnes defectus, si qui forte
intervenerunt in eisdem. Quorum quidem statutorum et ordinacionum tenor de verbo ad verbum sequitur et est talis: Des ersten, welcher caplon
siner pfruͦnd dotacion mit aller innhalt nicht hielte unnd sich des mit redlicher ursach nit entschuldigen moͤchte, das dann wir oder unnser vicari denselben
darumb straffen soͤlle nach gebu̍rlichait. Doch schulthaiß unnd raut zuͦ WintterthurOrt: Organisation: als lehenherren ir gerechtigkait vorbehalten, so inen der bedaͧchten dotacion
halb wider die ungehorsammen zuͦ rechtvertigen gepu̍ren wu̍rde, daran sol inen soͤlh vorbemelte strauff gantz hierinne unvergriffen sin. Ouch welher wyder die
gaistlichen sines bischoffs statuta, synodalia, gesatzte fraͤvenlich taͤte, das als dann wir oder unnser vicari darumb strauffen soͤlle nach gepu̍rlichait. Ain kirchherr
zuͦ WintterthurOrt: als rechter hirt unnd regierer sol und mag synngen, lesen unnd regieren in der kilchen zuͦ allen zyten, so verr ine das geschicklich beduncket sin
nach der gedruckten briefer unnd directorien unnd nach den nu̍wen bettbuͦcher, unnd sonnderlich daran sin, das alle zyt gesungen unnd gelesen nach gewonhait unnd allter loblichem harkommen der kilchen zuͦ WintterthurOrt: unabgebrochen fu̍rgenommen, gehalten unnd der gotzdienst dar inne allwegen ordenlich
volbraucht werde. Unnd das im ouch zuͦ soͤlichem regiment die caplaͤn getru̍wlich bystaͤnd thuͦn unnd vlissig mercken zuͦ vermelten ordnungen, wie die von im,
als ob staut, fu̍rgenommen, uff in haben unnd sich des mit dhainerlay unwillen gegen im nicht wyderen soͤllen, sy haben dann des schinbarlichen ursach.
Uß alter gewonhait so verwillget ain kirchherr gemainen caplaͤn, ire opffer von iren altaͤrn ze neͣmen, ußgenommen dem caplon sancti NicolaiPerson: unnd ander alte
herkommen, dar von dem kilcherren das opffer volget.1 Deshalb uff soͤliche verwilligung alle caplaͤn zuͦ allen zyten dem kilchherren mit singen unnd lesen,
wie obstaut, on widerrede beholffen sin soͤllen. Unnd kainer usser dem chor sich nit enderen, die goͤttlichen aͤmpter, mess, vesper, vigilien syen dann, wie obgemelt
ist, zevor ordenlich volbracht, sy haben dann des schinbarliche ursach, die sy daran verhyndre. Unnd welcher caplon sich des ungehorsam machen unnd
also absentieren wu̍rde, anders dann mit schinbarlicher ursach, so offt unnd dick ainer das ampt der meß versompt, der sol von dem superintendenten gestrafft werden, sechs stundZeitspanne: 6 Stunden in der kirchen zuͦ beliben. Versompt er aber ain vesper, vier stundZeitspanne: 4 Stunden, versompt er aber ains tags das ampt der meß
unnd darzuͦ die vesper, der sol, so offt er das thuͦt, gestraufft werden, ainen gantzen tagZeitspanne: 1 Tag in der kirchen zuͦ beliben. Wer dann, das ainer versompte ain vigili, so sol es beston by den allten statuten mit der moderacion, deshalb durch unns geschehen. Es sol ouch dehain caplan
andere pfruͦnden noch aͤlter usserhalb nit versehen one siner lehenherren wissen unnd vergoͤnnen. Wer dar wyder taͤte, sol von unns oder unnserm
vicari darumb gestraufft werden nach gestalt der sachen.2 Die caplaͤn soͤllen ouch allwegen zuͦ yederzyte dem kilcherren unnd sinem statthalter
mit synngen zuͦ sinen zyten, epistolas, ewangelia unnd ander dienstbarkait des altars, antiphonas, versus, benedicamina, wie dann das von alter
gewonhait der kilchen gebrucht ist, wann sy des ervordert werden, gehorsam sin, sy haben dann schinbarliche ursach, die sy entschuldigen moͤge. Welher
das nit taͤtt, so offt es geschehe, soͤlt in der superintendent straͧffen, dry stundZeitspanne: 3 Stunden in der kirchen zuͦ beliben. Unnd namlich, wann das erst zaichen der glogken
zuͦ mess, vesper, vigilien, mettin oder andern gewonlichen zyten zuͦm gotzdienst gelu̍tt wirdt, so soͤllen sich der kircherr unnd caplaͤn dar zuͦ ze gon
fu̍rderlich zuͦm anfang beraiten, on geverde, unnd alle mit ain andern synngen, ainer habe dann ze schwigen oder usser der kilchen ze beliben vernu̍nfftig ursach.
Unnd dwyl sich zuͦ synngen gepu̍rett, soͤllen sy zu̍chtig on hin unnd haͤr loffen unnd one unnotdu̍rfftigem geschwaͤtz sin unnd beliben. Och kainer im selber dehainerlay bette die zyte zebetten fu̍rnemen, damit ander in synngen geirrt unnd unwillig beschweͤrt wu̍rden verlaussen in irem gesang. Doch ob ainem nach gewonhait der kilchen oder innhalt siner pfruͦnd dotacion in soͤlicher zyte des gesangs meß ze haben gepu̍rte, mag er thuͦn. Und soͤlich zyte mit guͦttem underschaid pausieren unnd verstaͤnntlichen worten synngen unnd lesen unnd in der visitacion der graͤbern alle unnu̍tze rede vermyden, sonnder vlissig synngen
unnd betten, damit den stifftern, iren pfruͦnden, ouch denen, darvon sy ir presentz dann ze mal empfahend, gnuͦg beschehe. Wer soͤlich stuck ains
u̍berfuͦre, so offt er das taͤte, solt er gestraufft werden dry stundZeitspanne: 3 Stunden in die kirchen unnd von der mettin versompnu̍ß vier stundZeitspanne: 4 Stunden. Es soͤllen ouch die kilcherren
und caplaͤn mit dem besten vliss daran sin, das alle besetzte jarzyt mit vigilien, messen, synngen unnd lesen unnd alle ansehen uff die tag unnd
soͤlicher maͧß, wie die nach innhalt des jarzitbuͦchs ze began unnd ze volbrynngen geordnet sind, so verr das kommenlich sin mag, unabgebrochen gehalten unnd
one abgang beganngen werden, sy irre dann schinbarliche unnd gnuͦgsame ursach daran. Wu̍rde aber dar wider geton, sol es beston by den alten statuten
mit irer moderacion. Ob ouch bitzhar ettlich jarzyt nach lut des jarzitbuͦchs uff dornstagZeitspanne: Donnerstag oder zinstagZeitspanne: Dienstag zuͦ begon geordnet weͤren oder fu̍rohin geordnet
wurden, so soͤllen doch soͤlich jarzyt allweg beganngen werden unabgebrochen der letste messe, so sich sunst uff die selben tage ze synngen gepu̍rt, sye irre
dann schinbarliche unnd gnuͦgsame ursach daran, wie vorstaut. Die caplaͤn soͤllen ouch allwegen zuͦ allen fu̍rtagen, so die schuͦler den chor
besynngend, yegklicher in sinem stuͦl one abschwaiff unnd ander steͤtt suͦchung zu̍chtig still ston bitz zuͦ end der aͤmpter, er hab dann des redliche oder schinbarliche ursach. Oder er welle dann selbs willens zuͦ dem buͦch synngen gon, mag er thuͦn unnd sich sust one ursach mit dhainerlay ander geschaͤfften,
worten noch wercken unnu̍tzlich, denn allain syngens und lesens oder betten gebruchen, hindan gesetzt den predicanten uff die tag, so im zuͦ bredigen
gepu̍rt. Wer aber soͤlichs u̍bergienge, soͤlte dry stuͦndZeitspanne: 3 Stunden in die kilchen gestrafft werden. Verrer so haben wir verordnet unnd woͤllen,
welcher der waͤre, der wie vorgemelt ist, in die kirchen gestrafft soͤlt werden, soͤlich straͧff mit gelt welt abtragen, der sol macht haben, dry stundZeitspanne: 3 Stunden ab zuͦ legen mit
sechs hallernWährung: 6 Haller , vier stundZeitspanne: 4 Stunden mit acht hallernWährung: 8 Haller , sechs stundZeitspanne: 6 Stunden mit zwoͤlff hallernWährung: 12 Haller unnd ain tagZeitspanne: 1 Tag mit zwaintzig unnd vier hallernWährung: 24 Haller , die gefallen soͤllen an
die fabrick der pfarrkilchen zuͦ WintterthurOrt: . Und ist ouch zuͦ letst beredt, were sach, das zwu̍schen den vorgenannten parthyen ettwas spenn
unnd irrtung der vorgemelten stucken halb gegen in uff erstuͦnde, so soͤllen soͤlich speͣnn unnd irrtungen vor unns, unnsern nachkommen oder unnserm
vicari gerechtvertiget, geluͤtert und erclaͤret werden. Insuper quamvis supratactos articulos duxerimus, ut premittitur, confirmandos et confirmavimus, nihilominus tamen presencium tenore nobis et successoribus nostris ius et facultatem premissa huiusmodi statuta in toto vel in parte, quandocumque nobis seu
successoribus nostris placuerit, revocandi, mutandi et minuendi etcAbkürzung expresse reservandam duximus et reservamus. Porro tamen non intendimus per premissa rectori
ecclesie parrochialis in WintterthurOrt: eiusdemque iuribus aliquatenus preiudicare. In quorum fidem et testimonium premissorum litteras presentes inde fieri
sigillique nostri episcopalis iussimus et fecimus appensione communiri. Datum et actum in aula nostra ConstanciensiAusstellungsort: , anno domini millesimo quadringentesimo octuagesimo octavo, die vicesima octava mensis octobris, indicione sextaOriginaldatierung: 28.10.1488.
Anmerkungen
- Vgl. die mit Genehmigung des Bischofs von KonstanzOrt: errichteten Ordnungen über die Rechte und Pflichten des Rektors und des Inhabers der Frühmesspfründe oder Nikolauspfründe von 1279 (STAW URK 8; Edition: UBZH, Bd. 5, Nr, 1725) und 1487 (STAW URK 1612).↩
- Bereits im Jahr 1478 hatten Schultheiss und Rat von WinterthurOrt: Organisation: verordnet, dass kein Kaplan ohne ihre Erlaubnis und die des Rektors ausserhalb der Stadt Messe halten oder predigen dürfe und dass jeder bei der Verleihung der Pfründe die Einhaltung dieser Vorschrift beschwören solle (STAW B 2/3, S. 374; Edition: Ziegler 1900, S. 53).↩
- Notar an der KonstanzerOrt: Kurie, vgl. HLS, Ulrich Molitoris; Schuler 1987, Nr. 918.↩
- Vgl. Schuler 1987, Nr. 813.↩
- Konrad WinterbergPerson: ist im Zeitraum von 1475 bis 1495 wiederholt als Generalvikar belegt (HS I, Bd. 2, S. 551-552).↩
- Zu erwarten wäre der Vermerk «vidit».↩
Regest