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SSRQ ZH NF I/1/3 111-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 111-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Beschreibung des Ablaufs des Schwörtags der Stadt Zürich

ca. 1520 – 1530.

Am Schwörtag versammeln sich die Angehörigen des Kleinen Rats in der Chorherrenstube des Grossmünsters und bestimmen, welche Erlasse und Ordnungen anlässlich der Eidleistung der Bürgerschaft vorzulesen sind. Nachdem die Glocke drei Mal geschlagen hat, betreten sie gemeinsam den Chor des Grossmünsters, worauf der Ratsschreiber die Schliessung der Türen befiehlt. In der Folge verliest der Ratsschreiber von der Chortreppe die Liste mit den Mitgliedern des neuen Rates, während der Stadtschreiber hinter ihm steht. Die Aufgerufenen haben ihre Anwesenheit durch Wortmeldung zu bestätigen, Abwesende werden durch den Schreiber zwecks Nachholung der Eidleistung auf der Liste markiert. Anschliessend liest der Stadtschreiber den Eid für die neuen Mitglieder des Kleinen Rats und den neuen Bürgermeister, worauf der abtretende Bürgermeister den Genannten den Eid abnimmt. Sind die Eidleistungen vollzogen, besteigen der neue und der alte Bürgermeister, die Oberstzunftmeister, die Schreiber und der oberste Stadtknecht die Kanzel, worauf der Unterschreiber die Erlasse und Ordnungen der Bürgergemeinde verkündet. Darauf verliest einer der Substitute der Stadtkanzlei das Verbot der Pensionen, der Unterschreiber den Geschworenen Brief und der Stadtschreiber den Artikel betreffend Einweisung der Händler in das städtische Kaufhaus. Schliesslich empfängt der neue Bürgermeister vom Stadtschreiber den Geschworenen Brief und nimmt der Bürgergemeinde den Eid ab.

  • Signatur: StAZH A 43.2, Nr. 11
  • Originaldatierung: ca. 1520 – 1530 (Datierung aufgrund der Schreiberhand und des Inhalts)
  • Überlieferung: Aufzeichnung (Einzelblatt)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 21.5 × 32.5
  • Sprache: Latein

Bei der vorliegenden Aufzeichnung handelt es sich um die früheste erhaltene Beschreibung des halbjährlich stattfindenden Schwörtags der Stadt ZürichOrt: . Sie ist vermutlich kurz nach der Errichtung der im Text erwähnten neuen Kanzel des GrossmünstersOrt: entstanden (für eine Abbildung vgl. Weibel 1996, S. 20). Die Eidleistungen markierten den Übergang zwischen den beiden als Natalrat und Bapistalrat bezeichneten Rotten des Kleinen RatesOrganisation: . Sie waren zentral für die Konstitution des Regiments der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadt, deren Bürgerschaft sich selbst wesentlich als Schwurgemeinschaft verstand. Die Erneuerung der Eide fanden jeweils an zwei Sonntagen vor den Johannestagen im Sommer (24. Juni) und im Winter (27. Dezember) statt.

Zugelassen zur Eidleistung waren ausschliesslich männliche, volljährige Stadtbürger christlichen Glaubens, wobei die Teilnahme an der Erneuerung des Regiments zu den zentralen, mit der Stadtbürgerschaft verbundenen Pflichten gehörte. Ausgeschlossen blieben hingegen Frauen (obwohl sie ebenfalls als Stadtbürgerinnen galten) sowie die Gruppe der Einwohner ohne Bürgerrecht wie Niedergelassene, Handwerksgesellen, Bedienstete und auswärtige Geistliche. Angesichts der Bevölkerungszahl von rund 5000 Einwohnern der Stadt im 15. und 16. Jahrhundert dürften zum Zeitpunkt der Entstehung der vorliegenden Aufzeichnung rund 1000 Männer am Schwörtag teilgenommen haben.

Zu den Eidleistungen und ihrer Bedeutung sowie zur Datierung der vorliegenden Aufzeichnung vgl. Sieber 2001; Weibel 1996, S. 20; zu den anlässlich der Schwörtage verlesenen Mandaten und Verboten vgl. SSRQ ZH NF I/1/3 168-1; für die Eide der Bürgergemeinde sowie des neuen Bürgermeisters vgl. SSRQ ZH NF I/1/3 28-1; SSRQ ZH NF I/1/3 29-1.

Editionstext

Ita practicatur quando iuratur burgimagistro

Item domini de consulatuOrganisation: accedunt stubam dominorum canonicorumOrganisation: et ibi interloquuntur, quid legi debeant videlicet statutarum et ordinationum civitatisOrganisation: . Et cum pulsatur terciumMenge: 3 singnum intrant simul chorum MonasteriiOrt: . In primis clamat ratschriberSprachwechsel: Deutsch, qui est famulus civitatisOrganisation: , quod debeant claudi porte et advertereHinzufügung oberhalb der Zeile mit Einfügungszeichena. Et idem famulus stattAuffällige Schreibung ad scalam chori versus populum et scriba civitatisOrganisation: superior stattAuffällige Schreibung a tergo famuli. Et secrete famulo legit cedulam in qua continentur nomina der nüwen raͤthOrganisation: unnd spricht allso: «Diss sind die nüwen, angenden raͤthOrganisation: Sprachwechsel: Deutsch, et quando secreto modo famulo revelat, tunc statim famulus proclamat: «Herr N., allter burgermeyster»Sprachwechsel: Deutsch etcAbkürzung et ita unum post alium, deinde «die nüwen, angeenden zunfftmeysterOrganisation: Sprachwechsel: Deutsch», unum post alium, postquam omnes sunt lecti. Tunc scryba iterum publice legit unum post alium et quilibet, qui est presens, dicit: «Adsum». Qui vero non comparet, eundem scriba adsignet ut alia vice iuret.

Deinde scriba superior leget articulum iuramenti, quem tenentur iurare die räthOrganisation: unnd die zunfftmeysterOrganisation: Sprachwechsel: Deutsch, et magister civium, qui est deponendus ab officio, dat eis iuramentum.

[S. 2]Seitenumbruch

Deinde scriba superior leget iuramentum, quod prestabit novus magister civium et antiquus magister civium dat novo burgimagistro iuramentum.

Prestito iuramento per magistrum civium, ascendunt cancellum novus et antiquus magister civium, superiores scabiniOrganisation: et scribe et superior preco, et ibi inferior scriba incipit legere statuta et ordinationes. Deinde unus substitutorum pention briefSprachwechsel: Deutsch1, deinde iterum scriba inferior incipit legere geschwornnen briefSprachwechsel: Deutsch2, depost superior scriba legit articulumIn der Vorlage: arlum vom zoll inns kouffhusOrt: Sprachwechsel: Deutsch3, qui ponitur in rotulo pergameneo in fine. Deinde legitur id, quod prestabit universitas populiOrganisation: , et id quidem per stattschriberSprachwechsel: Deutsch et novus magister civum recipiet geschworen briefSprachwechsel: Deutsch ad manus et dattAuffällige Schreibung iuramentum universitatiOrganisation: .

Anmerkungen

  1. Hinzufügung oberhalb der Zeile mit Einfügungszeichen.
  1. Zum Pensionenverbot vgl. SSRQ ZH NF I/1/3 72-1.
  2. Für den Geschworenen Brief vgl. SSRQ ZH NF I/1/3 27-1.
  3. Zur Bestimmung betreffend Einweisung der Händler in das städtische KaufhausOrt: vgl. den Eid der Bürgergemeinde (SSRQ ZH NF I/1/3 29-1).