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SSRQ ZH NF I/1/3 149-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 149-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Ordnung für die Lateinschule am Grossmünster der Stadt Zürich

1532.

Die Lehrer der Lateinschule am Grossmünster sollen die Knaben zu Gottesfurcht, Zucht und Frömmigkeit anhalten und stets pünktlich anwesend sein, damit die Lektionen mit dem Glockenschlag beginnen und enden können. Die Schulordnung regelt im Einzelnen Beginn und Ende der Lektionen am Vormittag und am Nachmittag; das Absenzenwesen; die Abhaltung von Gebeten; den Kirchgang an Feiertagen; die Verpflichtung der Schüler zum Gebrauch der lateinischen Sprache während des Unterrichts; die Sanktionierung von ungebührlichem Verhalten; die Überprüfung der Eignung der Schüler; die Wegweisung von ungehorsamen Schülern; die Unterteilung der Schülerschaft in vier Klassen mit genauer Angabe des Unterrichts für jede Klasse. Der Unterricht beinhaltet Lesen und Schreiben der lateinischen und griechischen Sprache, unter Erlernung von Deklinationen, Konjugationen, Grammatik und Syntax sowie Einführungen in Mathematik und Geographie. Neben Altem und Neuem Testament sollen auch die klassischen Autoren Donat, Vergil, Cato, Terenz, Sallust, Cicero, Quintilian, Homer, Ovid und Pomponius Mela sowie die zeitgenössischen Werke von Erasmus, Glarean, Ceporin und Melanchthon gelesen werden. Die Schüler der vierten Klasse hören bereits einige Vorlesungen der Hohen Schule. Die Schulordnung tritt ab Herbst 1532 in Kraft.

  • Signatur: StAZH G I 1, Nr. 156
  • Originaldatierung: 1532
  • Überlieferung: Aufzeichnung (2 Doppelblätter)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 22.0 × 32.0
  • Sprache: Deutsch
  • Schreiber: Heinrich Utinger (Haupttext); Heinrich Bullinger (Marginalien)
  • Edition

Die vorliegende Schulordnung stammt von der Hand Heinrich UtingersPerson: , der seit 1507 Chorherr am GrossmünsterOrganisation: war und nach der Reformation als verwaltungstechnischer Experte unter anderem als Kustos des ChorherrenstiftsOrganisation: , Schreiber des EhegerichtsOrganisation: und Almosenpfleger fungierte (HLS, Utinger, Heinrich). Der Erlass der Ordnung fällt in das erste Jahr der Tätigkeit der Amtszeit Heinrich BullingersPerson: , der bis 1537 als Schulherr das Rektorat der Hohen SchuleOrganisation: und damit auch eine Aufsichtsfunktion über die Lateinschulen ausübte. Die Marginalien in der vorliegenden Aufzeichnung stammen von seiner Hand. Eine Zusammenfassung des Inhalts der Ordnung inklusive Auflistung des Unterrichtsstoffs in Form eines Stundenplans findet sich bei Ernst 1879, S. 89-91.

ZürichOrt: verfügte seit dem Mittelalter über zwei Lateinschulen, die an GrossmünsterOrganisation: und FraumünsterOrganisation: angesiedelt waren. Sie führten in die klassischen Sprachen ein und bauten ihrerseits auf dem Elementarunterricht der Deutschen Schulen auf, wo gegen Entrichtung einer Schulgebühr Grundkenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen vermittelt sowie Chorgesang und Gebete eingeübt wurden. Für die Mitte des 16. Jahrhunderts sind in ZürichOrt: drei solcher Elementarschulen belegt. Schülerinnen waren lediglich in den Deutschen Schulen zugelassen. Wollten Frauen eine weitere schulische Ausbildung absolvieren, waren sie auf Privatunterricht angewiesen (Stucki 1996, S. 247).

Huldrych ZwingliPerson: wirkte im Zug der Reformation darauf hin, am GrossmünsterOrt: eine Hohe SchuleOrganisation: für die Ausbildung der Pfarrerschaft im Sinn der neuen Lehre einzurichten (vgl. dazu die Ordnung des GrossmünsterstiftsOrganisation: , SSRQ ZH NF I/1/3 117-1). Zu diesem Zweck wurden renommierte Gelehrte in die Stadt berufen, wie beispielsweise der zuvor in BaselOrt: tätige Konrad PellikanPerson: , der 1526 eine Stelle als Lektor für Hebräisch, Griechisch und Altes Testament annahm (Stucki 1996, S. 251). Auch die lateinischen Schulen fanden als vorbereitende Institutionen für die Hohe SchuleOrganisation: ein vermehrtes Interesse der Obrigkeit. Der dortige Unterricht war unentgeltlich, was massgeblich aus freigewordenen Pfründen des GrossmünsterstiftsOrganisation: finanziert wurde. Zudem erhielt ein Teil der Schüler Unterstützung aus dem AlmosenamtOrganisation: (Stucki 1996, S. 249).

Zum ZürcherOrt: Schulwesen vgl. Brändli 2019; Maissen 2004; Stucki 1996, S. 246-253; Spillmann 1962; Ernst 1879; zur ZürcherOrt: Buch- und Lesekultur des 16. Jahrhunderts vgl. Leu 2004.

Editionstext


Ordination und ansëhen, wie man sich fu̍rohin
mit den schuͦleren, letzgen und anderen dingen
halten sol, in der schuͦl zuͦm Mu̍nsterOrt: Organisation: , Zu̍richOrt: ,
1532Originaldatierung: 1.1.1532 – 31.12.1532


Fu̍rnemlich sol mitt allem flyß, tru̍w und ernst von den schuͦlmeisteren angehalten werden, das die knaben gmeinlich
in gotsforcht, zucht und frommkeit wol ufzogen werdind,
das man in iren worten, wysen und gberden ein zucht spu̍re,
insunders soͤllend die, so von dem gstifftOrganisation: erhalten, ein flyssig
ufsaͤhen haben.
[Marginalie am rechten Rand von anderer Hand:]
Von stunden

Die stunden soͤllend flyssig gehalten werden von den schuͦlmeisteren und iren zuͦ ggaͤbnen, also das, wenn die
glogg schlach, sy zuͦ gegen syend und da lësind und bhoͤrind,
bis die glogg widerumb schlecht.

Und sind die stunden also zuͦm aller fuͦglichisten geteilt:
zwoMenge: 2 vor mittagZeitspanne: mittags, die ein von vjZeit: 6:00 bis zuͦ den vijZeit: 7:00,
die ander von den viijZeit: 8:00 bis zuͦ den viiijZeit: 9:00;
aber ijMenge: 2 nach mittagZeitspanne: mittags, die ein von den xijZeit: 12:00 bis zuͦ den einenZeit: 13:00,
die ander von dem einenZeit: 13:00 bis zuͦ den ijZeit: 14:00
und demnach aber eine von den iijZeit: 15:00 bis zuͦ den iiijZeit: 16:00.

Es soͤllend ouch die knaben flyssig zuͦ der schuͦl gehalten werden,
darumb sol man den catalogum dik lësen, deßglychen
in die hu̍ser ettwen schiken, ursach des abwësens zuͦ
erfaren und die, so spät kummend und die stund nit haltend,
sol man sträffen.

Am morgenZeitspanne: morgens sol man zuͦ allen tagenWiederholte Zeitspanne: 1 Tag die schuͦl mitt dem gebëtt
anheben, da sol einer ernstlich und mitt luter, verstaͤntlicher
stimm, ein «Vatter Unser» bëtten, ze end der schuͦl umb die 4Zeit: 16:00
mitt einem psalmen enden. Aber am zinstagZeitspanne: Dienstag, donstagZeitspanne: Donnerstag
und samstagZeitspanne: Samstag sol man die carmina singen, wie bis har
gebrucht.
[Marginalie am rechten Rand von anderer Hand:]
Vonn dem kylchgang

An den firtagen soͤllend, die nun hinfu̍r vernunfft habend
und der predigenne vaͤhig sind, als die von der 2.Menge: 2,
3.Menge: 3 und 4.Menge: 4 ordnung, ernstlich zuͦ dem wort des herren [S. 2]Seitenumbruch
gehalten werden. Deßhalb soͤllend sy alle firtag, e man
zemen lu̍t, in die schuͦl kommen, da versamlet werden.
Da sol man ouch den cathalogum lesen, damitt die abwësenden morndes angezogen und gesträfft werdind.
So bald man aber anhept zemen lu̍ten, das sy dann mitt
zucht in die kilchen gangind und an ein ort zemen
standind. Da sol ouch ein burgermeister gebetten werden,
das man inen welle die cantzlen fryen, mitsampt den
alten, u̍belghoͤrenden lu̍ten, ouch denen, so villicht in der
predig gern ettwas abzeichnen oder ufschrybenKorrektur auf Zeilenhöhe, ersetzt: ufzeichnena
weltind. Damitt sich aber kein gschwëtz oder unfuͦg
under den knaben erhebe oder das sy sich u̍ber die linen
und ggaͤtteren heruß legind, sol allweg der schuͦlmeister
oder sine anwëlt by inen sitzen, je das sy nit allein
da syend. Fu̍rnemlich aber soͤllend sy zuͦ morgenZeitspanne: morgens
und abendZeitspanne: abends predig gfuͤrt werden.
[Marginalie am rechten Rand von anderer Hand:]
Latin reden

Die aber ettwas des latins gefasset habend, soͤllend dar zuͦ
gehalten werden, das sy von einet latin redind, daru̍ff
sol ouch ein sträff gesetzt, und wo einer nit recht
oder grammmatice redte, sol ims der ander, so dar by wëre
und es bas koͤnde, verbesseren.
[Marginalie am rechten Rand von anderer Hand:]
An laster

Laster und grobe, wuͤste oder pu̍rsche, unzu̍chtige wysen
in reden, stan, gon und aller gebërd sollend die
fu̍rgesetzten der schuͦl flyssig achten und den knaben
uff das flyssigist und kommlichist ab nemmen.
[Marginalie am rechten Rand von anderer Hand:]
Ingenia

Die ingenia, ouch die stuk am lyb, so zuͦ lërenden lu̍ten
ghoͤrend, sollend sy gar wol ersuͦchen und deren achtnemmen,
damitt sy inen dester bas koͤnnind anhalten,
ouch ein jetlichen fu̍rderen zuͦ dem er am gschiktisten ist,
das sy ouch die vaͤtter und elteren bescheiden konnind,
wie es umb ire kind stande, was von inen ze hoffen sye,
damitt man nit lang in ku̍nsten die erziehe,
die vil zuͦ anderen dingen gschikter wërind,
dardurch dann vil kost und arbeit verloren wirt
und vil guͦts zyts u̍bel angeleit, dessin ouch die
beroubet und verhindret werdend, an denen es zuͦ
guͦtem erschu̍ßdt.
[S. 3]Seitenumbruch
[Marginalie am rechten Rand von anderer Hand:] Uß der schuͦl
schickenn
Wo dann verkerte, boͤse buͦben und ergerlich knaben erfunden
werdend, als die mitt schalkeit, boͤsen tu̍ken und
anders, dann soͤmlichen kinden und knaben gezimpt,
umb gand, durch die dann frommer, biderber lu̍ten kind
moͤchtind verboͤsert werden, sollend fu̍rderlich uß der schuͦl
verschikt werden, damitt sy nieman nachteilig syend.
Desglich ouch, die ungehorsam wërind, widerbaͤfftzinnd
oder deren elteren nit lyden weltind, das man sy
umb ir unzucht, boßheit, unflyß, lu̍gen und was
dann unrecht were, sträffen soͤlte, ouch die, so gar
nit studieren wellend und alle bitt, sträff, manung
und lër verloren ist.
Wo dann soͤmlich vorhanden, sol ein schuͦlmeister die
selben dem schuͦlherren1 anzeigen, der sol es mitsampt
dem schuͦlmeister, pflëgeren vom gstifftOrganisation: und verordneten
zuͦ der schuͦl fu̍r tragen, das der knab bald abgefertiget
und der schuͦlmeister nit verdächt werde.
Welche aber also sind, das ettwas guͦts von inen
ze hoffen ist, soͤllend jetlicher nach sinem koͤnnen und
verstand under sinem lëser und in siner ordnung
bliben und in die anderen nit gesetzt werden,
er koͤnne und verstande dann das eigentlich und
wol, das man in siner classe lërt. Der ordnungen
soͤllend iiijMenge: 4 sin.

Die erstMenge: 1 ordnung


Da sind die anfahenden schuͦler, die erstlichen anhebend
lësen, die sol man nun mitt grossem flyß ze handen
nemmen und also lëren, das sy nit nach boͤser gwonheit und ane alle prosody und distinction die
buͦchstaben, diphtongen und wort ußsprëchind.
Da mag man inen «Crepundia Christianæ Juventutis»2 fu̍rgeben, daruß sy lernind lësen. Diß soͤllend
iijMenge: 3 mal im tagZeitspanne: 1 Tag ire letzgen sagen, morgenZeitspanne: morgens umb die vjZeit: 6:00 [S. 4]Seitenumbruch
oder viijZeit: 8:00 einest und nach den xijZeit: 12:00 einist und umb
die iijZeit: 15:00 einist. Welche nun wol koͤnnend lësen,
soͤllend an die grammatik gfuͤrt werden und denen
gëbe man den DonatPerson: fu̍r, das sy daruss formas, declinationum und conjugationum wol lërind erkennen
und vertu̍tschen und anzeigen, wie alle andere wort
nach der analogi incliniert werdend. Denen sol man
ouch all abindZeitspanne: abends umb die iijZeit: 15:00 zweyMenge: 2 vocabula rerum
ufschriben, das sy die lërind und zuͦ allen iijMenge: 3 letzgen
ufsagind. Die vocabula aber soͤllend nit confusanea
sin, sunderb ordenlich ggëben werden, das sy von allen
gliden der menschen syend, von tieren, kru̍teren etcAbkürzung,
wie dann Johannes MurmelliusPerson: «Pappam»3 geschriben
und den kinden verordnet hat.
Wenn es aber schier
an der zyt ist, das man dise in die anderMenge: 2 ordnung
setzen wil, sol man sy anheben lëren, die buͦchstaben
zu̍chen und schryben. Aber alle samßstagZeitspanne: Samstag umb die 12Zeit: 12:00,
e und man sy ußlasse, sol man von inen vorderen,
wie sy baͤttind und welchs die artikel des gloubens
syend, das sy von jugend uff des gebaͤtts und gloubens
gruntlich bericht werdind.

Die anderMenge: 2 ordnung


In dise ghoͤrend, die nün grüntlicher soͤllend der grammatik
bericht werden, die sol man ze glich in guͦten christenlichen sitten und warer religion, ouch der latinischen
spräch erzu̍hen und darumb die stunden also teilen:
Am morgenZeitspanne: morgens umb die vjZeit: 6:00 soͤllend diß zuͦ denen in der
iij.Menge: 3 ordnung sitzen und mitteinandren hoͤren das nu̍w
testament, das sol man latinisch fu̍rlaͤsen ein morgenZeitspanne: morgens
und den anderen repetieren. Und sol das nu̍w testament
nimmer underlassen werden oder uß der schuͦl kommen
und der es lißdt, sol sich flyssen, das er es eigentlich vertu̍tsche,
demnach, das er kurtz und in einem fu̍rgan anzeige,
was zuͦ ufbuwung gloubens und der zucht und
frommkeit diene, die ding sol er ouch im repetieren [S. 5]Seitenumbruch
widerumb vorderen, je wie jedes verstand erlyden mag.
Sunst sol es nit vorgelësen werden, das man das latin
daruß lëre, das by den latinis ist ze suͦchen, nit hierinn,
die wil es sin idiomata, grecismos und hebraismos hat,
die man wirt lëren verstan, wenn man anhept die
sprachen lëren. Doch mogend die ouch anzeigt werden,
umb dero willen, die in der dritten ordnung sind.

Zuͦ 8Zeit: 8:00 soͤllend die von diser ordnung aber sitzen zuͦ denen
in der drittenMenge: 3 ordnung. Denen allen sol man lësen
VergiliumPerson: . Diser author sol ouch nit uß der schuͦl kommen
und, wie obgemelt, ein tag umb den anderen gerepetiert werden und denen, die in der andren ordnung
sind, nit als vil fu̍r ggaͤben werden als denen in der
3.Menge: 3 ordnung. Hierinn sol ratio grammatica zeigt werden,
das die in 2Menge: 2 ordine alle und jede wort declinierind
und conjugierind, die in 3Menge: 3 ordine syntaxim zeigind.
Umb die xijZeit: 12:00 soͤllend sich dise uͤben mitt schryben und
lëren, umb das einZeit: 13:00 sol inen CatoPerson: und was dem
ErasimusPerson: Auffällige Schreibung angehenkt, vorgelësen werden, abermals
des anderen tags gerepetiert und ratio grammaticac–, wie obgemelt
erfordert.
Hinzufügung am rechten Rand
–c
d–Umb die
iijZeit: 15:00 sol inen
DonatiPerson: grammatica
Hinzufügung am linken Rand
–d mitt flyß declariert werden und wenn sy einist
uß ist, widerumb angehept werden.
Am zinstagZeitspanne: Dienstag, donstagZeitspanne: Donnerstag und samßtagZeitspanne: Samstag soͤllend sy ire
geschrifften und uͤbungen der selben wuchen zeigen und
insunders am samßtagZeitspanne: Samstag des gloubens und baͤttens erfordert
werden.


Die drittMenge: 3 ordnung

In die ghoͤrend, die nun die anfeng der grammatik
habend und die rudimenta wol koͤnnend, denen
sol man lesen zuͦ volgenden stunden:
Umb die 6Zeit: 6:00 bis zuͦ den 7Zeit: 7:00 das latinisch testament,
wie obgemeldet in 2Menge: 2 ordine, also umb die 8Zeit: 8:00 VirgiliumPerson: ,
wie ouch vor bestimpt ist.
Umb die 12Zeit: 12:00 sol inen TerentiusPerson: gelaͤsen und des anderen
tags gerepetiert werden und das ist ouch dero eins,
die allweg soͤllend in der schuͦl gehalten werden.
Und umb das einZeit: 13:00 soͤllend sy sitzen zuͦ der 4.Menge: 4 ordine und [S. 6]Seitenumbruch
zuͦsaͤhen, wie man inen grece lëse. Sie aber sollend es nun
jetz zuͦmal lëren laͤsen und zweyMenge: 2 vocabula greca, wie vor
von dem latin gemeldet, zeichnen und lëren.
Umb die iijZeit: 15:00 syntaxim ErasimiPerson: , och heteroclita, genera
und preterita GlareaniPerson: und ein tag umb den anderen
repetieren, ouch flyssig forderen in repetendo VirgilioPerson:
und TerentioPerson: .
Denen sol man am zinstagZeitspanne: Dienstag und donstagZeitspanne: Donnerstag ze mittemtagZeit: 12:00,
als man urlob hat, «Copia»4 ErasmiPerson: lësen und am
samßstagZeitspanne: Samstag epistulas CiceronisPerson: und die ijMenge: 2 buͤcher soͤllend
ouch von einet in der schuͦl belyben. Deßglych soͤllend
dis all samstagZeitspanne: Samstag epistlen oder experimenta geben.

Die fierdMenge: 4 ordnung

Hieryn ghoͤrend, die guͦter mas des latins bericht
sind, die soͤllend sich fu̍r ander zuͦ den prediginen
schiken, insunders die vom stifftOrganisation: erhalten werdend.
Denen sol der schuͦlmeister umb die 6Zeit: 6:00 fu̍rlaͤsen dialecticam MelanchtonisPerson: und die von einet in der schuͦl
behalten. Und wenn er ettwo wyt in preceptis kommen ist,
sol er allweg des andren tags ein authoren lësen
und in dem zeigen das artificium dialecticum und
imitationem. Da mag er nemmen SalustiumPerson: , damitt
er ouch ein historiam in der schuͦl habe oder ußerlëßne orationes CiceronisPerson: etc.
Umb die 8Zeit: 8:00 soͤllend sy gan in die ordinariam propheticam
lectionem und die nit versumen, da lisdt man
das alt testament.5
Umb die 12Zeit: 12:00 soͤllend sy aber gan in die ordinariam lectionem
QuintilianiPerson: , oder was man denn lißdt.
Umb das einZeit: 13:00 sol der schuͦlmeister in der schuͦl lësen
grammaticam CeporiniPerson: 6 oder MelanchtonisPerson: und allweg
dess anderen tags daruff HomerumPerson: und in dem zeigen
rationem grammaticam, also ein tag umb den anderen
wëchslen und doch allwegen imm vorlaͤsen HomerumPerson:
ettwas der vorigen letzgen repetieren und losen, [S. 7]Seitenumbruch
wie die knaben zuͦnëmmind.
Umb die iijZeit: 15:00 lëse man denen rationem carminum,
schemata und tropos und allweg des anderen tags
OvidiiPerson: metamorphosim, in dem man die precepta
zeige und repetiere und die fierMenge: 4 stuk grammatica
greca. HomerusPerson: , ratio carminum und OvidiusPerson:
soͤllend von einet in der schuͦl blyben.
Am samstagZeitspanne: Samstag mag der schuͦlmeister ettwas introduction
lësen in mathesim und Pomponium MelamPerson: .
Es soͤllend aber ouch von diser 4.Menge: 4 ordnung carmina
und epistel ggaͤben werden.
Der schuͦlmeister sol insunders die letzgen der 4.Menge: 4
ordnung ferggen und ein flyssig ufsëhen haben,
wie die ubrigen versorgt werdind, das alle
mëngel und prësten allweg gebesseret werdind.
Und dise ordinantz soll unverzogenlich
nach dem herbstZeitspanne: Herbst angehept werden.
1532Originaldatierung: 1.1.1532 – 31.12.1532.
[S. 8]Seitenumbruch

Anmerkungen

  1. Korrektur auf Zeilenhöhe, ersetzt: ufzeichnen.
  2. Streichung: lich.
  3. Hinzufügung am rechten Rand.
  4. Hinzufügung am linken Rand.
  1. Der Schulherr war Rektor der Hohen SchuleOrganisation: und übte hinsichtlich der Lateinschulen eine Aufsichtsfunktion aus (Stucki 1996, S. 247).
  2. Die «Christianae Juventutis Crepundia» war ein verbreitetes lateinisches Lehrbuch für den Schulgebrauch, das in ZürichOrt: erstmals im Jahr 1527 duch Christoph FroschauerPerson: gedruckt wurde und zahlreiche Neuauflagen erlebte (zur Erstauflage: Vischer, Druckschriften, C 123).
  3. Der niederländische Humanist Johann MurmelliusPerson: gilt als ein Vorreiter des humanistisch geprägten Schulunterrichts. Sein Werk «Pappa Puerorum» erschien erstmals 1513 in KölnOrt: (VD16, M 6952).
  4. Dies bezieht sich auf «De duplici copia rerum ac verborum commentarii duo», eine Sammlung rhetorischer Stilmittel des Erasmus von RotterdamPerson: , die erstmals 1512 in ParisOrt: erschien und in zahlreichen Neuauflagen weite Verbreitung erlangte (für die 1519 in StrassburgOrt: erschienene Ausgabe vgl. ZBZ Rrc 72).
  5. Die Hohe SchuleOrganisation: , in der die Schüler der obersten Klasse der LateinschuleOrganisation: einige Vorlesungen hören durften, wurde auch als Prophezei bezeichnet (Stucki 1996, S. 250).
  6. Jakob CeporinPerson: war ein enger Mitarbeiter Huldrych ZwinglisPerson: und wirkte in der ersten Hälfte der 1520er Jahre als Lehrer für Griechisch und Hebräisch in ZürichOrt: . Sein Lehrbuch «Compendium Grammaticae Graecae» wurde 1526 erstmals bei FroschauerPerson: gedruckt und bis 1575 nicht weniger als acht Mal neu aufgelegt (zur Erstauflage: Vischer, Druckschriften, C 93).