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SSRQ ZH NF II/3 109-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft. Band 3: Die Landvogtei Greifensee, von Rainer Hugener

Zitation: SSRQ ZH NF II/3 109-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Entscheid in einem Streit über den Karpfenfang im Greifensee

1749 Mai 7.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich beurkunden einen Streit zwischen den Fischern vom Greifensee, Jakob Aeppli, Wilhelm Meier und Hans Zollinger aus Fällanden und Korad Wüst aus Greifensee, sowie dem Amtsrichter Heinrich Denzler, Säckelmeister und Feuerwehrhauptmann Rudolf Pfenninger aus Greifensee und dem Dorfmeier Hans Ochsner aus Schwerzenbach als Abgeordneten ihrer Gemeinden betreffend das Fangen von Karpfen. Weil die Gemeindegenossen bei Überschwemmungen auf den überschwemmten Wiesen die Karpfen fangen, die zum Laichen in die Gräben schwimmen, schädigen sie die gewerbemässigen Fischer, die sich auf ihre Fischenzen sowie auf Urteile von 1549, 1711, 1730 und 1742 berufen. Demgegenüber bringen die Vertreter der Gemeinden Greifensee und Schwerzenbach vor, dass sich die Fischereirechte nicht auf ihr Gemeindeland erstrecken und der Fischfang eine gewisse Kompensation darstelle für den Schaden, den sie bei Überschwemmungen erleiden. Das Gericht urteilt, dass die Fischer in ihren verbrieften Rechten geschützt sein sollen. Wenn bei Überschwemmungen aber Karpfen auf die Felder schwimmen, so dürfen sie von zufällig anwesenden Gemeindegenossen ohne Fischereiwerkzeug zum eigenen Verzehr gefangen werden. Im Übrigen soll die Fischereinung in allen Punkten befolgt werden. Insbesondere darf das Schilf von den Fischern nicht geschnitten werden. Zuwiderhandlungen sollen durch Säckelmeister Bernhard Werdmüller untersucht und von den Landvögten bestraft werden.

  • Signatur: PGA Greifensee II A 4
  • Originaldatierung: 1749 Mai 7
  • Überlieferung: Original (Doppelblatt)
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 21.5 × 32.5
  • Sprache: Deutsch
  • Schreiber: Unterschreiber der Stadt Zürich

Um die Uferzone als Grenzgebiet zwischen Land und Wasser war es zwischen den Fischern vom GreifenseeOrt: und den anstossenden Gemeinden wiederholt zu Auseinandersetzungen gekommen, worauf auch im vorliegenden Stück hingewiesen wird. So hatten sich die Bürger von GreifenseeOrt: bereits 1549 beklagt, dass der Fischer Klein-Erhard MeierPerson: aus FällandenOrt: mit seinen Fanganlagen die Uferzone verwüste. Das Gericht urteilte, dass MeierPerson: seine Verbauungen behalten dürfe und das Abschneiden von Schilfrohr vom Schiff aus weiterhin gestattet sein solle (PGA Greifensee I A 11; StAZH A 85, Nr. 10). Der Konflikt brach 1569 erneut aus, als Klaus PfisterPerson: in seiner Wiese am See einen neuen Graben anlegte, um darin zu fischen. Der Zürcher RatOrganisation: legte fest, dass sämtliche neu erstellten Gräben zugeschüttet werden müssen, während die älteren Anlagen von Erhard MeierPerson: weiter bestehen bleiben durften (SSRQ ZH NF II/3 83-1).

Auf das Urteil von 1549 und weitere, teilweise nicht überlieferte Entscheide von 1711, 1729/1730 und 1742 beriefen sich die Fischer, als es 1749 erneut zu Konflikten zwischen ihnen sowie den Gemeindegenossen von GreifenseeOrt: und SchwerzenbachOrt: kam. Der Zürcher RatOrganisation: beauftragte am 27. Januar 1749 eine Kommission, den Streit zu untersuchen und darüber ein Gutachten zu erstellen (StAZH B II 864, S. 26-27), worüber der Vogt von GreifenseeOrt: mit Schreiben vom 29. Januar 1749 informiert wurde (StAZH A 123.7, Nr. 207). Das Gutachten wurde am 8. April 1749 erstellt, nachdem die beiden Parteien ihre Argumente vorgebracht hatten. Daraus geht hervor, dass die Fischer ihren Schaden auf rund 100 Pfund bezifferten und sich die Gemeindegenossen auf einen Entscheid vom 1. Oktober 1711 stützen konnten, das im Wortlaut zitiert wird (StAZH A 123.7, Nr. 206). Beim vorliegenden Dokument handelt es sich um die Bestätigung zuhanden der Gemeinde GreifenseeOrt: Organisation: ; zugleich wurde der Entscheid in vollem Wortlaut auch im Ratsmanuale des Unterschreibers festgehalten (StAZH B II 864, S. 153-156).

Der vorliegende Entscheid wurde seinerseits als Präzedenzfall herbeigezogen, als der GreifenseeOrt: 1906 erneut über die Ufer trat. Denn als der damalige Fischereiaufseher 24 Bauern aus GreifenseeOrt: und SchwerzenbachOrt: anzeigte, weil sie auf ihren Feldern Karpfen gefangen hatten, beriefen sich die Bauern auf das Urteil von 1749. Die zuständige Finanzdirektion stützte den Entscheid des Ancien Régime; weil demgemäss jedoch lediglich der Fang von Karpfen für den Eigengebrauch erlaubt war, wurden jene sieben Bauern, welche die gefangenen Fische verkauft hatten, trotzdem gebüsst. Vgl. Frei 2006, S. 43-44; Frei 2004, S. 31-32; Zimmermann 1990, S. 10-11.

Editionstext


In der vor etwas zeit durch eine weisung von GreiffenseeOrt: an mngnhrmeine gnädigen herren gewachsenen streitigkeit entzwüschent Jacob ÄppliPerson: , Willhelm MeyerPerson: und Hans
Zollinger
Person:
von FällandenOrt: , desgleichen Conrad WüestPerson: von GreiffenseeOrt: als
samtsamtlichen dermahligen fischeren in dem GreiffenseeOrt: an dem einten, dann
amtsrichter Heinrich DenzlerPerson: und sekelmeister und feürhaubtmann
Rudolff PfenningerPerson: von mehrbemeldtem GreiffenseeOrt: , so auch dorffmeyer
Hans OchsnerPerson: von SchwerzenbachOrt: im nammen und als abgeordneten beyder dorthigen ehrsammen gemeinden an dem anderen theil, in ansehung des
karpfenfangs bey aufgehendem und auf die daran stoßende gemeind-
werk und güter hinauslauffendem see-waßer obwaltend.
Da erstere darüber, daß die gemeinds-genoßen von GreiffenseeOrt: Organisation: und SchwerzenbachOrt: Organisation: sich deße anmaaßen und ihnen öffters, wann die karpfen aus
der tieffe des sees gegen dem land in die böschen und gräben, um den
leich darin abzustoßen, steigen, vor denen garnen deren in großer
anzahl wegfangen thügind, sich ernstlich beschwehrt und solches als
ihrem habenden fischezen-Korrektur überschrieben, ersetzt: erarecht in krafft unterschidenlicher brieffen, erkantnußen und urthlen von annis 1549Datum: 1549,1 1711Datum: 1711,2 1730Datum: 17303 und 1742Datum: 17424 entgegen
zuseyn vorgestellt, mithin um hochoberkhochoberkeitliche bestäthigung diserer ihrer
schrifftlichen gewahrsammen deemüthig gebetten.
Die abgeordnete
beyder ehrsammen gemeinden GreiffenseeOrt: Organisation: und SchwerzenbachOrt: Organisation: aber
wider sothanen vortrag eingewendet, daß einerseiths denen fischeren kein fischezen-recht auf ihrem gemeind-werk und güteren,
sondern nur in dem see zukomme, und anderseiths ihnen, wann der
see austretten und ihnen an ihrem waid-gang und güteren
schaden zufüegen thüge, verhoffentlich aller billichkeit nach zu deße
etwelchem ersatz und trost karpfen daselbst zufangen erlaubt
seye und von mngnhrmeinen gnädigen herren um so da mehr, als sie sich harunter
auf die bißharige üebung und den innhalt einer anno 1711Datum: 1711 in ganz
gleichem fahl ergangenen raths-erkantnuß5 grundtlich stüzen könnind, hochoberkhochoberkeitlich weiterhin werde zugestanden werden etcAbkürzung.
Haben
hochermeldt mngnhrmeine gnädigen herren nach anhörung, wie eines solch widermahligen contradictoriiSprachwechsel: LateinSchriftwechsel von denen partheyen, also auch eines
ausführlichen schrifft- und mundtlichen berichts, welchen die zu des
geschäffts näherer untersuchung eigens nidergesezt gewesene
ehren-commissionSchriftwechsel von ihrem harinfähligen verrichten abgestattet,6
in reifflicher erwegung der sachen eigentlicher bewandtnuß einhellig erkennt und gesprochen, daß die fischere in dem GreiffenseeOrt: [S. 2]Seitenumbruch
bey ihrem habenden fischezen-recht forthin geschüzt verbleiben und derer
selben obspecificirterSchriftwechsel maaßen vormahls erhaltene harinfählige brieff,
erkantnußen und urthlen neüerdingen hochoberkhochoberkeitlich bekräfftiget und
bestäthiget seyn sollind, in dem verstand und mit der erlaütherung jedoch,
daß, wann das waßer in dem GreiffenseeOrt: aufgehet und ein gemeinds-
genoß von GreiffenseeOrt: und SchwerzenbachOrt: zu der zeit, da die karpfen
an das land kommen, auf dem feld wäre oder es im vorbeygang gewahren wurde, ein solcher dannzumahlen für sich, sein mähli dadurch zuverbeßeren, deren aber ohne fischer-instrumentSchriftwechsel wol fangen mögen,
keineswegshin hingegen solches auf mehrschatz hin zuthun befüegt
seyn solle.
Wobey die fehrnere hochoberkhochoberkeitliche willensmeinung ist, daß
der fisch-einung7 zu mehrgedachtem GreiffenseeOrt: in allen stuken
und articulnSchriftwechsel gebührend nachgelebt, sonderheitlich aber auch das
rohr-abhauen (außert was, wie es die ordnung vermag, bey gefrohrnem see über das eys hinauslangt) von denen fischeren gänzlich
unterlaßen, und weilen daß dergleichen erst kürzlich geschehen seye,
geklagt worden, von herren sekelmeister WerdmüllerPerson: bey vorstehender seiner dahin reise der sache nachgefraget und allenfahls die fehlbahre zu gehöriger verantworthung und straff gezogen,
desgleichen auch der übrigen articulnSchriftwechsel halber denen fischeren im nammen
mngnhrmeiner gnädigen herren eine ernstliche folg-leistungs intimationSchriftwechsel gethan
werden und dannethin denen jederweiligen hrherren landvögten zu
GreiffenseeOrt: harauf ein sorgfältig-geflißenes aufsehen zuhaben
und die übertrettere mit empfindtlichem straff-ernst anzusehen,
die pflichtige obligenheit auf ein neües gegeben seyn, zumahlen
deßnahen dem jezigen hrherren landvogten daselbst von gegenwärthiger erkantnuß nachrichtliche communicationSchriftwechsel beschehen solle.
Actum mittwochs, den 7. maii 1749Originaldatierung: 7.5.1749,
coram senatuOrganisation: .
[Unterschrift:]
Unterschreiber
[S. 3]Seitenumbruch [S. 4]Seitenumbruch
[Vermerk auf der Rückseite:]
Urdell wegen des
karfenUnsichere Lesungb fangs,
1749Originaldatierung: 1.1.1749 – 31.12.1749

Anmerkungen

  1. Korrektur überschrieben, ersetzt: er.
  2. Unsichere Lesung.
  1. Gemeint ist das Urteil vom 9. April 1549 betreffend Fanganlagen in den Uferzonen des Greifensees (PGA Greifensee I A 11; StAZH A 85, Nr. 10).
  2. Gemeint ist vielleicht der Entscheid vom 1. Oktober 1711, der im Gutachten vom 8. April 1749 zitiert wird (StAZH A 123.7, Nr. 206).
  3. Gemeint ist vermutlich der Entscheid vom 13. Dezember 1729, wonach den Weidgenossen für das laufende Jahr gestattet wurde, das Schilf bis zum Wasserspiegel abzuschneiden (StAZH C III 8, Nr. 31, S. 84).
  4. Ein Urteil bezüglich Fischerei von 1742 konnte nicht ausfindig gemacht werden.
  5. Das Gutachten vom 8. April 1749 zitiert einen Entscheid vom 1. Oktober 1711, wonach es zufällig anwesenden Gemeindegenossen gestattet war, bei Überschwemmungen Karpfen auf ihren Feldern zu fangen (StAZH A 123.7, Nr. 206).
  6. Die Kommission war am 27. Januar 1749 mit der Untersuchung des Streits beauftragt worden und legte ihr Gutachten am 8. April vor, vgl. Kommentar.
  7. Zur Fischereinung des GreifenseesOrt: vgl. SSRQ ZH NF II/3 17-1, SSRQ ZH NF II/3 56-1 und SSRQ ZH NF II/3 86-1; zu der seit 1738 geltenden Fischerordnung vgl. SSRQ ZH NF II/3 107-1.