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SSRQ ZH NF I/1/3 49-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 49-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Zunftbrief der Konstaffel

1490 Dezember 11.

Bürgermeister, Kleiner und Grosser Rat der Stadt Zürich bestätigen kraft der ihnen verliehenen Freiheiten und des Geschworenen Briefes der Konstaffel ihre hergebrachten Rechte. Zur Konstaffel gehören die in der Stadt ansässigen Ritter und Edelleute sowie alle weiteren Bürger und Hintersassen, die keiner Zunft angehören. Dies gilt auch für die Bewohner des Quartiers im Kratz sowie Witwen, soweit sie kein anderes Zunftrecht innehaben. Konstaffel und Zünfte sollen sich im Falle von Streitigkeiten an Bürgermeister und Rat wenden, ohne deren Zustimmung sie nicht berechtigt sind, an den ihnen bestätigten Rechten etwas zu ändern. Die Aussteller siegeln mit dem Stadtsiegel.

  • Signatur: StAZH W I 15.1
  • Originaldatierung: 1490 Dezember 11
  • Überlieferung: Original
  • Beschreibstoff: Pergament
  • Format B × H (cm): 37.0 × 30.5 (Plica: 5.0 cm)
  • 1 Siegel:
    1. Stadt ZürichPerson: , fehlt
  • Sprache: Deutsch
  • Edition
    • QZZG, Bd. 1, Nr. 169

  • Signatur: StAZH B II 5, fol. 57r-58v
  • Originaldatierung: 1490 Dezember 11
  • Überlieferung: Zeitgenössische Abschrift
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 21.0 × 28.5
  • Sprache: Deutsch

Bürgermeister und RatOrganisation: stellten die vorliegende Urkunde gemeinsam mit denjenigen der zwölf ZünfteOrganisation: aus. Sie verfügt über einen mit diesen übereinstimmenden Aufbau, wobei im Vergleich zu den ZünftenOrganisation: der Abschnitt zu gewerbespezifischen Regelungen fehlt. Dies erklärt sich daraus, dass die KonstaffelOrganisation: keine entsprechende Aufsichtsfunktion auszuüben hatte. Zeitgenössische Abschriften der Zunftbriefe finden sich in den Stadtbüchern (Zürcher Stadtbücher, Bd. 3/1, S. 98-114, Nr. 99). Dort sind jedoch nur diejenigen von KonstaffelOrganisation: und SaffranOrganisation: vollständig wiedergegeben, für die anderen Zünfte hingegen jeweils lediglich die sie speziell betreffenden Abschnitte. Während es sich bei den Zunftbriefen im Wesentlichen um Erneuerungen älterer Bestimmungen handelt, stellt die vorliegende Urkunde für die KonstaffelOrganisation: die erste ihrer Art dar. Darin äussert sich die zunehmende Angleichung der KonstaffelOrganisation: an die ZünfteOrganisation: , wie sie bereits im Vierten Geschworenen Brief vollzogen wurde (SSRQ ZH NF I/1/3 27-1; vgl. Brühlmeier/Frei 2005, Bd. 1, S. 105). Die Zunftbriefe wurden als zugehörig zum Geschworenen Brief betrachtet und dementsprechend mehrfach gemeinsam mit diesem kopiert (StAZH B III 6, fol. 34r-53v; StAZH B III 5, fol. 124r-159v). Im Original erhalten sind, neben der vorliegenden Urkunde der KonstaffelOrganisation: , die Zunftbriefe von SchiffleutenOrganisation: , ZimmerleutenOrganisation: , SaffranOrganisation: , MeisenOrganisation: und WeggenOrganisation: (SSRQ ZH NF I/1/3 45-1; SSRQ ZH NF I/1/3 46-1; SSRQ ZH NF I/1/3 47-1; SSRQ ZH NF I/1/3 48-1; SSRQ ZH NF I/1/3 44-1) sowie der Zunft zur SchneidernOrganisation: (ZBZ ZA Schn 2).

Im Rahmen des Ersten Geschworenen Briefs wurde im Jahr 1336 neben den 13 ZünftenOrganisation: auch die KonstaffelOrganisation: erwähnt als Vereinigung des nicht-zünftigen Anteils der Stadtbürgerschaft, die in erster Linie Adlige und wohlhabende Kaufleute umfasste (QZZG, Bd. 1, Nr. 3, S. 14). Die KonstaffelOrganisation: repräsentierte zur Zeit ihrer Entstehung die gesellschaftliche Führungsschicht, deren Mitglieder einen grossen Anteil der wichtigsten Ämter der Stadt in Anspruch nahmen, einen adligen Lebensstil pflegten und im Rahmen mehrerer exklusiver Trinkgesellschaften zusammengeschlossen waren. Als gemeinsame Trinkstube der KonstafflerOrganisation: ist ab der Wende zum 15. Jahrhundert das Haus zum RüdenOrt: bezeugt (Illi 2003, S. 27). Bereits während der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, verstärkt aber im 15. Jahrhundert, näherten sich Konstaffel und ZünfteOrganisation: einander an. Dies äusserte sich einerseits am gesellschaftlichen Aufstieg einer wachsenden Anzahl vermögender handwerklicher Familien, die als Zunftmeister zunehmend den Kleinen RatOrganisation: dominierten und sich ihrerseits am adligen Lebensstil der KonstafflerOrganisation: zu orientieren begannen. Andererseits übernahm die KonstaffelOrganisation: zünftige Elemente: Dazu gehören bruderschaftliche Einrichtungen wie eine sogenannte «Büchse», also eine Sparkasse zur Unterstützung von kranken Mitgliedern sowie zur Ausrichtung von Begräbnissen und Seelmessen (vgl. zur Einrichtung der Büchse im Jahr 1417 Zürcher Stadtbücher, Bd. 2/2, S. 278-279, Nr. 68 sowie Illi 2003, S. 44).

Im Rahmen der vorliegenden Regelung wurden der KonstaffelOrganisation: erstmals auch die grösstenteils nicht-zünftigen städtischen Unterschichten zugeteilt, zu denen beispielsweise Tagelöhner, Bettler und die Bewohner des Quartiers im KratzOrt: gehörten. Im Jahr 1494 suchte die KonstaffelOrganisation: ihren Geltungsbereich noch auszuweiten, indem sie auch Personen aus dem Gebiet vor den Stadtmauern aufnahm, wodurch sie jedoch in Konflikt mit der Wacht WollishofenOrt: geriet (QZZG, Bd. 1, Nr. 172). Einige Zeit später unterstützte sie im Rebbau tätige Lohnarbeiter bei ihrem Versuch, nicht wie die eigenständigen RebleuteOrganisation: in die Zunft zur ZimmerleutenOrganisation: zu dienen, sondern sich der KonstaffelOrganisation: anzuschliessen (SSRQ ZH NF I/1/3 73-1). Die Namen der Mitglieder der KonstaffelOrganisation: sind in den sogenannten Fronfastenrödeln überliefert (StAZH W I 15.115.1). Alleinstehende Frauen und Witwen, sofern sie nicht von ihrem verstorbenen Mann ein Zunftrecht hatten übernehmen können, waren ebenfalls der KonstaffelOrganisation: zugeteilt. In der Reformationszeit fanden sich auch aus ihren Klöstern ausgetretene Geistliche in der Gesellschaft. Die bekannteste unter ihnen war die letzte Äbtissin des FraumünstersOrganisation: , Katharina von ZimmernPerson: .

Während auf diese Weise die Konstaffel im späten 15. Jahrhundert und während des ersten Viertels des 16. Jahrhunderts ein sehr heterogenes Sammelbecken innerhalb der städtischen Bevölkerung darstellte, verstärkten sich ab 1550 wiederum Tendenzen des Abschlusses, wodurch sie sich im Verlaufe der Frühen Neuzeit wieder stärker in Richtung ihrer ursprünglichen Funktion als exklusive Trinkstube wohlhabender Kreise entwickelte.

Zur Geschichte der KonstaffelOrganisation: vgl. Illi 2003; zur vorliegenden Urkunde im Kontext der Zunftbriefe vgl. Brühlmeier/Frei 2005, Bd. 1, S. 93-98; zum Verhältnis der Zunftbriefe zur Rechtspraxis vgl. Heusinger 2011; zum Haus zum RüdenOrt: vgl. KdS ZH NA III.II, S. 78-91.

Editionstext


Wir, der burgermeister, der raͧtt und der groß raͧtt so man nempt die zweyhundert der statt Zu̍richOrt: Organisation: , tuͦnd kundt und bekennen
offenlich mit disem brieff, als dann wir uss krafft der loblichen fryheyten, daͧmit wir von dem heilgen RoͤmschenOrt: richOrganisation: , keisern und
ku̍ngen erlich begaͧbet sind, unnser statt regiment und ordnungen angesechen und gesetzt, ouch die gantzen gemeindOrganisation: unnsrer
statt, rich und arm, durch gemeines nutzes, friden und ruͦwen willen, in Constaͧffel und zu̍nfftOrganisation: gesu̍ndert und geteilt und in
soͤlichem geordnet haben, wie und wohin ein yder burger und hindersaͤß Zu̍richOrt: mit sinem lib und guͦtt dienen und gehoͤren
sol, innhallt unnsers geswornen brieffs, ouch daͧby angesechen und erkennt haben, das wir die ConstaͧffelOrganisation: , all zu̍nfftOrganisation: und yede
in sunders by iren gerechtikeiten, guͤten gewonheiten und haͤrkommen getruwlich schirmen und hanndthaben und sy daͧby
blyben lassen und des mit unnsernn brieffen und sygelnn besorgen und versichern sollen.
Also, demnaͧch und so ritter, edellu̍t, burger und hindersaͤß in unnser statt Zu̍richOrt: wonende und seßhafft, so kein zunfft haben, fu̍rbaßhin ConstaͧffelOrganisation: heissen
und sin sollen, so haben wir unns ouch erkennt und gesetzt, erkennen, setzen und wellen in krafft diß brieffs, das soͤlich
ConstaͧffelOrganisation: by allen und yeden ir gerechtikeitten, fryheyten, guͦten gewonheiten und haͧrkommen bliben, sich deren gebruchen, niessen und befroͤwen soͤlle. Und mit sunderheit haben wir unns uff ir anbringen und beger erkennt, das naͧch inhalt
und uß krafft unnsers geswornen brieffs alle die, so in unnser statt Zu̍richOrt: wonhafft und gesessen sind und kein zunfft
haben, in die ConstaͧffelOrganisation: dienen und gehoͤren soͤllen, es syen die lu̍t im KratzOrt: oder annder. Und desglich, das die wittwen1 in
unnser statt Zu̍richOrt: wonhafft und gesessen, so kein zu̍nfft haben noch in kein zunfft dienen Textvariante in StAZH B II 5, fol. 57v: und gehoͤrena, in die selben ConstaͧffellOrganisation:
dienen b–und gehoͤrenAuslassung in StAZH B II 5, fol. 57v–b, doch das die ConstaͧffellOrganisation: sy bescheidenlich und guͤttlich hallten und bliben lassen soͤllen, wie dann die
zu̍nfftOrganisation: ir wittwen ouch hallten und blyben laͧssen.
Doch haben wir unns hieby eigentlich erkennt und gesetzt, das Constaͧffel und zu̍nfftOrganisation: dheine uff die anndernn noch fu̍r sich selbs dheinen uffsatz tuͦn soͤllen noch mogen, aͧn unnsernn gunst,
wu̍ssen und willen. Und ob durch ConstaͧffelOrganisation: oder dheine der zu̍nfften eynicher uffsatz beschechen were oder hinfu̍r getaͧn
wurde zuͤ abbruch und schaden gemeiner statt und des gemeinen nutzes oder anndrer zu̍nfften, das soͤlichs fur unns kommen und wir naͧch innhallt unnsers geswornen brieffs alzit macht und gewallt haben soͤllen, unns daͧru̍ber zuͦ erkennen und
wes wir uns dann gemeinlich oder der merteil uff unnser eyd ye darumb erkennen, das dann die ConstaͧffelOrganisation: oder zunfft,
so es beru̍rt, genntzlich aͧn alle fu̍rwort und widerred daͧby blyben und dem uffrecht und erberlich naͧch kommen.
Es sol ouch
weder ConstaͧffelOrganisation: noch kein zunfft der anndern keinen ingriff noch abbruch tuͦn an iren gewaͤrb und hanndtwerch, wider
ir gerechtikeit, guͤt gewonheit und harkommen. Ob aber deshalb zwu̍schen der ConstaͧffelOrganisation: und eynicher zunfft oder einer
zunfft gegen der anndern spenn und irrung ufferwachsen wurden, das dann die ouch mit irnn spennen fu̍r unns kommen und wes wir uns, gemeinlich oder der merteil, darumb erkennen, das sy dann ouch daͧby bliben und dem naͧchkomen
soͤllen. Wo aber ein sundrige person eynicher zunfft in irnn gewaͤrb und hanndtwerch lanngen und wider ir gerechtikeit,
guͦt gewonheit und harkommen darin griffen wurde, das dann die zunfft, deren soͤlicher ingriff bescheche, die selben person darumb pfenden und ir das verbieten mogen, als das von altem haͤrkommen ist. Und ob dann die selb person meinen
woͤllte, das sy zuͤ soͤlichen irem fu̍rnemen und bruch fuͦg hette und man sy deshalb nit pfenden noch verbieten soͤlte,
das dann beydteyl ouch daͧrumb fu̍r unns zuͦ erlu̍trung kommen und wes wir unns daͧru̍ber erkennen, gemeinlich
oder der merteil, das sy dem beydersyt leben und statt tuͦn soͤllen, an alle widerred.
Und zuͦ besluß aller obgeschribner
dingen, haben wir unns luter harinn uß krafft unnser loblichen fryheiten und des geswornen brieffs vorbehallten, das
wir und unnser naͧchkommen solich unnser erkanntnu̍ß, ordnung und ansechen alzit bessern, meren, mindern und
enndernn mogen, durch nutz und notdurfft unnser gemeinen statt und des gemeinen nutzes, ye naͧch gelegenheit
der loͤiffen und gestalt der sach, ob wir unns des gemeinlich oder der merteil uff unnser eyd erkennen, all gevaͤrd
und arglist genntzlich vermitten.
Und des zuͦ warem und vesten urkund, so haben wir unnser gemeinen statt sigel
offenlich tuͦn henncken an disen brieff, der geben ist anTextvariante in StAZH B II 5, fol. 58v: uffc sambstag nach sannct NiclausPerson: , des heilgen bischoffs, tag, als
man zallt von der geburt Cristi, unnsers lieben herren, tusennt vierhundert und nuntzig jaͧre
Originaldatierung: 11.12.1490
.
[fol. v]Seitenumbruch
[Vermerk auf der Rückseite oben rechts:]
ConstaͧfelOrganisation:
[Vermerk auf der Rückseite von späterer Hand:]
AoAnno 1490Originaldatierung: 1.1.1490 – 31.12.1490
[Vermerk auf der Rückseite von späterer Hand:]
1490Originaldatierung: 1.1.1490 – 31.12.1490

Anmerkungen

  1. Textvariante in StAZH B II 5, fol. 57v: und gehoͤren.
  2. Auslassung in StAZH B II 5, fol. 57v.
  3. Textvariante in StAZH B II 5, fol. 58v: uff.
  1. Zur Stellung von Witwen in den ZürcherOrt: ZünftenOrganisation: vgl. auch Brühlmeier/Frei 2005, Bd. 1, S. 265-267.