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SSRQ ZH NF I/1/11 12-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 12-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Almosenordnung der Stadt Zürich

1572 September 10.

Aufgrund der erhöhten Bettlerzahl und Nichteinhaltung bisheriger Ordnungen erlassen Bürgermeister sowie Grosser und Kleiner Rat der Stadt Zürich eine erneuerte Almosenordnung. Die Ordnung beginnt mit einleitenden Worten zur Zunahme der Bettler und Verschlimmerung der Situation, um dann bestehende Verhältnisse und Verbote aufzuzählen. Darunter fällt das allgemeine Bettelverbot, die Ausweisung fremder Bettler in ihre Heimatgemeinden, die Unterstützungspflicht von Verwandten, die Pflichten und Rechte der Gemeinden sowie die Anzeigepflicht für Amtspersonen und Angehörige in Fällen von unrechtmässigen Almosenbezügen (1). Es folgt die Erneuerung und Erläuterung früherer Mandate (2). Neben dem Verbot der Gotteslästerung (3), unbewilligter Gaststätten (4) und des Zutrinkens (5) wird der Wirtshausbesuch am Abend (Abendürten) (6), die Sperrstunde (7), der Konsumkredit (8) und der Weinkauf (9) geregelt. Ausserdem werden das Arbeiten an Sonn- und Feiertagen (10), Wucher (11), zerhauene Hosen (12) und das Tragen von gewissen Waffen (13) verboten. Die Ordnung endet mit der Aufforderung, dass alle Amtspersonen und Bewohner die Vorschriften beachten sollen (14).

Grundlage für die vorliegende Ordnung bildet die erste Almosenordnung von 1525 (SSRQ ZH NF I/1/3 125-1). Bereits Mitte des 16. Jahrhunderts kritisierte Heinrich BullingerPerson: die fehlgeleitete Kirchengüterpolitik und den Sittenzerfall, was er als Grund für die steigende Anzahl der Bettler sah. 1558 kam es zu einem Vorstoss BullingersPerson: vor dem Rat der Stadt ZürichOrt: Organisation: , welcher sogleich eine Kommission zur Behandlung der Vorschläge einsetzte. Am 31. Juli 1558 wurde dann eine erneuerte Almosenordnung (StAZH A 61.1, Nr. 73) erlassen, die aber abgesehen von der Verschärfung des Bettelverbots, der Einführung der Säckleinspende sowie der Neueinteilung der Stadt kaum neue Bestimmungen enthält. Die 1560er Jahre waren geprägt von gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Ratsherren und Pfarrern, wobei die Trunksucht und Wucherei als Kernursachen der Armut immer wieder genannt wurden (Bächtold 1982, S. 241-250).

Die strukturellen Veränderungen ab etwa der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Bevölkerungswachstum, hohe Bodenpreise, stagnierende Löhne, Klimaverschlechterung) führten zu einem Anstieg der Zahl der Armen und Bettler. Trotz der Einführung eines Buss- und Bittgebets in Form eines Mandats vom 19. September 1571 (SSRQ ZH NF I/1/11 11-1) kam es nicht zur Entschärfung der Lage. Der kalte Winter des Jahres 1571/1572 führte zur Zerstörung vieler Reben. Die angespannte Situation wurde noch dadurch verstärkt, dass BullingerPerson: dem Obmann der Almosenverwaltung persönliche Bereicherung vorwarf. Laut BullingerPerson: und mehreren Pfarrern der Stadt ZürichOrt: hatten Armut und Bettelwesen nicht zuletzt aufgrund des fehlerhaften Verhaltens verschiedener Ratsherren und der Nichteinhaltung früherer Ordnungen ein untragbares Ausmass erreicht, was zur sittlichen und sozialen Verwilderung geführt habe. Erneut wurde eine Kommission eingesetzt, um eine Umfrage in den Landgemeinden zur gegenwärtigen Situation durchzuführen. Wenige Tage später, am 31. August 1572, legten Heinrich BullingerPerson: und Rudolf GwaltherPerson: der Kommission ein Gutachten vor (StAZH E II 102, S. 299-315). Dieses beinhaltete neben einem strikten Bettelverbot auch den Vorschlag eines Arbeitsprogramms in Form eines nicht gewinnorientierten Verlagsystems für arme Leute. Die Vorschläge wurden zwar nicht verwirklicht, aber es kam zum Erlass der vorliegenden Almosenordnung am 10. September 1572, welche weitgehend eine Zusammenfassung früherer Ordnungen war. Die Almosenordnung wurde von Heinrich BullingerPerson: am 14. September im Sonntagsgottesdienst verlesen (Moser 2010, S. 44-46; Bächtold 1982, S. 261-271).

In den darauf folgenden Jahren wurden zahlreiche gedruckte Mandate und Ordnungen bezüglich Armut und Bettelwesen erlassen. Für eine Übersicht über die gedruckten ZürcherOrt: Mandate zum Armenwesen bis 1675 vgl. Wälchli 2008. Trotz der häufigen Wiederholungen kam es in den 1620er und 1630er Jahren zu verschiedenen Neuerungen, unter anderem der Einrichtung des AlmosenamtsOrganisation: im ehemaligen AugustinerklosterOrganisation: (StAZH III AAb 1.2, Nr. 30), der Einführung einer neuen materiellen Grundlage für die Armenversorgung (SSRQ ZH NF I/1/11 16-1) und der Etablierung des ProfosenamtsOrganisation: (SSRQ ZH NF I/1/11 18-1). Umfassende Almosenordnungen wurden 1662 (SSRQ ZH NF I/1/11 27-1), 1693 (SSRQ ZH NF I/1/11 31-1) und 1762 (StAZH III AAb 1.12, Nr. 41) erlassen.

Editionstext

Wir Burgermeister / ouch Klein
und Groß Raͤth der Statt ZürychOrt:
Organisation:
/ thuͦnd
kundt mengklichem hiemit. Nach dem wir
ougenschinlich gesaͤchen unnd befunden /
daß jetz etliche zyth / unnd jarhar sich der
baͤttel by heimbschen unnd froͤmbden / ouch
jungen unnd alten / wyb und manns personen (da man aber an dem merentheil / ouch
irem laͤben / thuͦn / und lassen / offenlich vermerck / sy deß Allmuͦssens unwürdig) in unser Statt und Landtschafft treffenlich gemeeret / und
zuͦgenommen / also daß vil lüth / sich fry von aller arbeit gezogen / uff
den muͤssigang unnd baͤttel verlassen / ouch niemant mer / umb ein
raͤchte unnd billiche belonung wercken woͤllen / sonders mit louffen /
gutzlen / und samlen bin hüsseren / und uff den strassen / ein soͤllich unerbar / unzüchtig / unnd ungebürlich waͤssen gefuͤrt / das sy dardurch
den armen unnd dürfftigen / das brott vor dem mund abgelouffen /
unnd by inen gar kein Gottsforcht / scham noch Eer nit gespürt / sonders aller muͦtwillen unnd undanckbarkeit befunden worden: Dann
was sy in unser Statt by unserem Allmuͦssen / oder besonderbaren
personen / durch Gottes willen überkommen / das habent sy unnützlich verkramet / oder vertruncken / ald sonst üppigklich verthon / unnd
nit zuͦ irem a ouch irer wyb und kinderen nutz und nothurfft verbrucht /
darvon uns / und gemeiner unser Landtschafft vil verwyssens / und
übel nachredens gevolget ist. Diewyl nun uß soͤllichem unverschamptem baͤttel / by jungen unnd alten nützit anders / dann ein ellendts /
verruͦchts / und ungottsfoͤrchtig laͤben (wie man desse gnuͦgsame byspil hat) volget / und dann wir / ouch vorhin unsere frommen vorderen / vor
villen jaren soͤllicher unverschampten baͤttel / in unser Statt fry abgestrickt / und verbotten / und der selbig billich / nach Goͤttlichem raͤchten
under Christenlüthen / nit gestatnet werden sol: So sind wir / uß unvermydenlicher nothurfft / ouch uff anruͤffen unnd begaͤren der Erbarkeit in unser Statt und Landtschafft / so hieruf vilfaltig getrungen / unnd besonders gemeinen unsern underthonen / zuͦ nutz / wolfart
und guͦtem / verursachet worden / harine (doch dem Almuͦssen gegen
den dürfftigen one abbruch) ein gebürlich insehen zethuͦn. Unnd sidmalen ein jede gemeind unnd Pfarr / am aller basten wüssens tragt /
was sy für armlüth / welliche deß Allmuͦssens fechig / ouch sich mit irer
handarbeit ald sonst erneeren moͤgen oder nit / deßglychen wie jedesse sachen geschaffen / unnd dann uns von Gott dem Almaͤchtigen allein die armen / und nit der baͤttel bevolhen worden. So ist Gott dem [fol. 1v]Seitenumbruch
Almaͤchtigen zuͦ lob und Eeren. Ouch den raͤcht armen / und nothurfftigen / zuͦ hilff und trost / unser ernstlich gebott / willen und meinung.

Daß nun hinfür aller baͤttel / von heimschen und froͤmbden / jungen
und alten personen / in unser Statt und Landtschafft / fry abgestelt und
verbotten heissen und syn. Also das niemandts mer / wyb noch mann /
kind noch gesind / weder an den strassen / in und vor den Kilchen / ald
uff den Kilchoͤffen gan / liggen oder sitzen. Ouch vor unnd in den
gaͤb / ald anderen hüssern / und gaͤdmeren / uff den wirtzhüsseren / trinckstuben / ald anderschwo samlen / baͤttlen oder gutzlen. Sonders die
heimbschen / unnd froͤmbden ein jeder in syn Pfarr / unnd gemeind gewissen werden. Ouch ein jede Pfarr unnd gmeind uff unser Landtschafft daß jaͤrlichWiederholte Zeitspanne: 1 Jahr inkommen / und nutzung der Kilchen und Cappellen guͤtern / so wir inen im anfang unser Reformacion / uß gnaden zuͦerhaltung irer armen gelassen / under ire armen und dürfftigen / nach
gestalt jedesse waͤssens / one minderung deß houptguͦts / thrüwlich / unnd one alle gefar ußtheilen.
Deßglychen gegen der armen
gefründten / so Rych unnd wolhabend / durch hilff irer Obervoͤgten / daran syn / daß sy den selben iren armen gefründten (wie sy
dann nach Goͤttlichem unnd natürlichem raͤchten / zethuͦn schuldig)
mit hilff unnd handreichung / sovil inen müglich / begaͤgnen /
unnd ouch die Rychen / und Statthafften / in jeder gemeind / ir Allmuͦssen / gegen iren armen gemeindtsgnossen / uß Christenlicher erbermbd und mitlyden rychlich mitheilen soͤllend / wie dann bruͤderliche thrüw / und lieb ervorderet / in ansehen das wir inen die froͤmbden
baͤttler / sovil uns müglich / abnemmen / und sy deß vilfaltigen costens
und beschwerdt / so sy damit gehaͤbt / etwelicher gestalt / entladen woͤllen.
Wa aber etliche under inen weren / die sich mit wercken unnd arbeiten / ald sonst in anderweg wol erhalten moͤchten / als dann sy die
selben mit allem flyß unnd ernst darzuͦ wyssen und halten / unnd inen
kein Allmuͦssen gevolgen lassen. So aber an etlichen orthen / der armen sovil / ouch daß jaͤrlich inkommen der Kilchen / unnd Cappellen /
so klein / oder der armen gefründten / unnd die gemeindtsgnossen so
arm / daß sy die selben vorerzelter gestalt / nit erhalten moͤchten / unnd
wir von unsern Obervoͤgten / desse warhafftlich bericht wurden /
woͤllend wir inen / uff ir ansuͦchen unnd bitten dermassen handtreichung thuͦn und erzeigen / daß sy hilff unnd trost spüren / ouch unsere gemeinden / deßglychen die armen / unnd vorab Gott hieran ein
gefallen / und wir als ein Christenliche Oberkeit deß kein verwyssen
und nachreden haben.1 Deß ouch alles gnedigen / und Vaͤtterlichen wil[fol. 2r]Seitenumbruchlens die unsern sich fuͤrer wie bißhaͤr beschehen zuͦ uns gwüßlich versehen sollen. Dann wir nit der meinung / einiche nüwerung zemachen /
sonders allein deß vorhabens / dem unverschampten und unnotturfftigen baͤttel / so uns allen mittlerzyt / zuͦ hoͤchstem schaden dienen wurde / zeweeren: Ungezwyffleter hoffnung ir als die unsern soͤlliches
für ein hohe notthurfft erkennen / unnd uns darumb lob / und dancksagen werden koͤnnind. Und welliche also das Allmuͦssen von dem
Kilchen guͦt iren gefründten ald gemeindtsgnossen / oder von uns empfachen unnd aber nit dester minder zuͦm wyn giengen ald sonst liederlich / und unnütz husseten: Oder sich nit Erbarlich und unseren alten Ordnungen / und sazungen gemeß hielten: Da sollent soͤlliche unnützen personen / in unsere gefengknuß gelegt / mit wasser / muͦß unnd
brott gespyßt / und nit haruß gelassen werden / biß sy willig und gehorsam syn woͤllen. Aber nützit desterminder / ire wyb / und kinder die
der sachen unschuldig / by den Allmuͦssen wie inen das geordnet ist / uff
wytere gnad belyben.
Ouch unsere Undervoͤgt / Weybel / fürgesetzten /
und jede gemeind uff unser Landtschafft uff ire armen ein flyssigs / und
ernstlichs ufsehen haben / und welliche sy in oberzelten stucken schuldig
syn / befundint / sehind / oder vernemind / als dann die selben gefengklich annemmen / unnd iren Obervoͤgten zuͦfuͤren / sy hievor erlüthereter massen / zuͦ straaffen wüssen moͤgen. Wa aber sy die fürgesetzten /
oder die gemeinden harine unflyssig / und soͤlliche personen / nit gefengklich annemind / oder leydetind / sonders sy in irem liederlichen laͤben / ungestraafft fürfaren liessind / als dann woͤllend wir die fürgesetzten an ir statt in gefangenschafft legen / darzuͦ der selben gemeind /
alle hilff / so wir irer armen halb theten / abschlahen und inen ire armen
selbs zuͦerhalten ufbinden. Deßglychen daß die wirt / und stubenknecht / soͤllich personen / so das Allmuͦssen nemend / in iren wirtshüssern unnd gsellenhüsseren gar nit dulden noch lyden / sonders die daruß thryben / und by iren Eyden / so sy uns gethon / iren Obervoͤgten
angeben / damit die selben sy harumb mit gefangenschafft / als abstatt straaffen koͤnnen.

Und wiewol etliche personen / von iren Elteren / und anderen lüten / in erbswyß / und anderweg zuͦn zyten / vil hab und guͦt überkommen / ouch dasselbig zuͦ irem nutz / frommen unnd notthurfft anwenden / und ire gefründten / und verwandten hierzuͦ sorg / unnd acht haben: So sehend / unnd erfarend wir doch taͤglich daß sy soͤllich hab /
unnd guͦt / nit anders / dann zuͦ allem irem muͦtwillen / überfluß unnd
verderben bruchen. Also daß sy sich in die liederliche / und trunckenheit
[fol. 2v]Seitenumbruchgar ergebind fruͤ unnd spat in wirtzhüsseren sitzind / iren gwün / unnd
gwerben nit gloubind / und das ir unnützlich vertzerind / unnd ire gefründten / unnd verwandten / die soͤlliches zeweren schuldig / inen also
zuͦsaͤhind damit sy ire guͤter in ringerm gelt / an sich züchen koͤnnind /
und inen hiemit gar in baͤttel / und ellend helffind / ouch sy dem gemeinen man ufbindind. Diewyl aber von Goͤttlichen unnd natürlichen
rechten / ein fründ mit allem sinen vermoͤgen / dem andren vor sinem
undergang / und verderben zesyn / schuldig. So ist unser meinung / so
bald / in unser Statt unnd Landtschafft / in einem geschlecht etwann
funden es werind jung oder alt / vatter / son / bruͤdern ald sonst gesipten /
die sich gar an wyn unnd in die liederligkeit ergaͤben oder boͤß koͤüff
tüsch / und unzimlich wyn koͤüffthetten / und der glychen handleten /
so inen ouch iren wyb und kinden / zuͦ nachteil und verderben reichen
woͤlte / das als dann der selben fründ und verwandten / besonders die
so dissere unnütze personen zeerben hand / sampt den Predicanten / Undervoͤgten / Weyblen / unnd Eegoümeren in der selben gemeind / mit
hilff / und rath unser ouch unserer Obervoͤgten so inen by iren Eyden
damit sy uns verbunden harine behulffen syn / angentz diewyl noch
Eer / unnd guͦt vorhanden / solliche unnützen unnd verthuͤgigen mit
verthruwten Eeren personen bevoͤgtigen / inen iren gwalt / unnd meisterschafft nemmen / unnd wa es von noͤten in gefengknuß legen / oder
offentlich in den Kylchen verruͤffen lassen. Unnd was einer dann inen
also hinderrucks iren Voͤgten fürsetzt / und lycht / das solle einer verloren haben / und im darumb kein recht nit gehalten werden / und ob
die in fründtschafften / hinfür nit baß acht haben / dann das sy die selben das iren / also muͦtwilliger wyß verthuͦn liessen / das sy dann schuldig syn / die selben sampt iren wyb und kinden selbs zuͦerhalten / unnd
zuͦerzüchen. Deßglychen so sich erfunde / das etliche in der gemeind ire
guͤter gevarlicher wyß an sich gebracht / und kaufft / das wir dieselben
koͤüff nützit gelt / sonders für krafftloß erkennen wellen.2

Und als dann wir / und unsere lieben altvorderen vorhar vilmalen / zuͦ abstellung deß grusammen schweerens / unnd Gottslesterens /
deßglychen der winckelwirtzhüssern / ouch unmaͤssigs zuͦtrinckens /
überflüssigs füllens / und zeerens halb. Item wie man diie fyrtag heiligen / ouch von wegen deß wuͦchers und anderer stucken allerley guͦter
ordnungen unnd satzungen gemacht / die selben den unsern offentlich
verkünden lassen / und uns versaͤhen / sy sich der selben gehorsamlich
beflissen / ouch sich zuͦ einem Christenlichen / und Gott wolgefelligem
laͤben / und zuͦ aller besserung geschickt hetten. So ist doch offentlich /
[fol. 3r]Seitenumbruchund unlaugenbar am tag (wie dann wir das / leyder mit schmertzen
saͤhend) daß die unsern / soͤlliche unsere ordnungen gar in vergessen gestelt / und die vilfaltig und noch taͤglich übertrettind. Und sidmalen aber soͤlliches / die groͤst schuld / und ursach aller oberzelts / unsers
unglücks / verderbens / ellendts / und jamers / und wir dann nützit lieber / dann der unsern heyl / unnd wolfart sehind / so habent wir
zuͦ widerbringung desselbigen / ouch verhuͤttung Goͤttlichs zorns /
und künfftigs übels / alle hievor angezogne unsere Mandathen / und
satzungen / widerumb mit nachvolgender erlüterung / unnd verbesserung / ernüweret / und bestett. Namlich.

Das jedermann jung / unnd alt personen / frouwen unnd mann /
dienstknecht und jungkfrouwen / sich huͤtte vor Gottes / unnd synes
heiligen namens lesterung / schaͤlten / und schweren / oder one not / ald
ytel an dem nammen Gottes zügen / dann welliche das übersehend sy
thuͤgind es uß boͤser angenomner gwonheit / oder verdachtlich / der
oder die selben ubertraͤttenden / sol hinfür ir einer den anderen niemants ußgenommen / voruß aber in unser Statt unsere Kleinen / und
Groß Raͤth
Organisation:
unnd uff unser Landtschafft unsere Ober / ouch Undervoͤgt / und die Eltisten wa sy daß hoͤrend / bin Eyd angentz / one ansehen der person vermannen buͦß zethuͦn so offt es beschicht / der gestalt / daß die übertraͤttend person / glych in der fuͦßstapfen / sich uff die
knüw niderlassen / und den herd küssen.3 Oder aber dem / so in zur buͦß
ermant / ein schillingWährung: 1 Schilling also bar zuͦ synen handen antwurten / unnd die
selb buͦß fürderlich durch Gotteswillen / dem nechsten armen menschen ald in daß gemein Allmuͦssen gegeben / und verordtnet werden /
und wedere straaff einer oder eine annimpt / und vollstreckt / damit
sol gebuͤßt syn. Unnd wer sich haͤrin ungehorsam erzeigte / das dann
die person / so den schwuͦr gehoͤrt / und gemeldet hat / soͤllichs bin Eyd
in unser Statt einem Burgermeister / und uff der Landtschafft unsern Voͤgten unverzogenlich fürbringen / damit die schuldigen gehorsam gemacht. Unnd nach erkantnuß eines RathsOrganisation: wyter gestraafft
werdint / unnd eins oder einer moͤchte so groblich / boͤß und schandtlich schwuͤr thuͦn / man wurde es by eegemelter buͦß nit belyben lassen / sonders die schuldigen / wyter an lyb laͤben / Eer unnd guͦt hertenklich straaffen allweg nach gestalt der sach unnd eines jeden überfaren / unnd verhandlung. So unnd wenn ouch ein wirt in unser
Statt unnd Landtschafft / froͤmbde gest die uns nüt zuͦversprechen
stand / beherberget / unnd einer der selben schwuͤr / ald Gottslesterte
sol der wirt pflichtig syn / in deß anfangs zewarnen / unnd so ers dar[fol. 3v]Seitenumbruchüber wyter thette / als dann er in heissen den herd küssen / oder von im
ein schillingWährung: 1 Schilling vorderen der luth vorgemelts ansehen / dem nechsten armen menschen ald in daß gemein Allmuͦssen gegeben werden.

Item daß ouch ein jeder unser Obervogt / alle neben und winckel
wirtzhüsser / so neben den rechten Gsellschafften / unnd wirtzhüssern /
die von unsern gemeinden / mit unserm / oder unsern Obervoͤgten
wüssen / unnd willen bestaͤt / unnd bewilliget / ufgestanden / in seiner
ampts verwaltung abstelle / unnd nieman dem zewirten verwillige /
noch gestatne / dann denen so das nach unsern ordnungen / unnd ansehen zethuͦn befuͤgt unnd die andern all ires wirtens abwyssen unnd
hierob styff und vest halten.

Sovil daß überflüssig füllen / unnd zuͦtrincken belanget. Woͤllend wir umb Eeren willen zuͦlassen / unnd verwilligen / das ir einer
den andern / in unser Statt und Landtschafft ein freündtlichs bringen moͤge. Doch daß soͤlliches fründtlicher / und ungevarlicher wyß
beschaͤhen / deßglychen daß der so es dem andern bringt / nach sinem
gefallen / und keins gemaͤsses trincke. Sonders so einer truncken / als
dann er daß trinckgschirr uff den tisch für sich / oder sonst wider niderstellen / und dem ers bracht hat / waͤder halb oder gar laͤr zeigen / noch
mit wincken / stupfen / mupfen / oder andern worten / wercken / wyssen
oder geberden / zum bscheid thuͦn / ansuͦchen noch noͤtigen / und so einer daß thette / sol der dem es bracht ist / dasselbig by seinem Eyd on
verzug unsern Voͤgten / unnd amptlüten zuͦleyden / unnd anzegeben
schuldig syn / die volgendts von der selben übertraͤttenden person jedes mals es beschicht / fünffschilling buͦßWährung: 5 Schillinge gestrax und one verschonen
der person zuͦ unsern handen inziehen. Wurde es aber einer wider geben den wirt man über nachtZeitspanne: nachts im Thurn leggen / unnd im ein March
silbers
Währung: 1 Mark Silber
abnemmen ee er daruß kompt.

Deßglychen woͤllend wir daß hinfür in unserer Statt unnd
Landtschafft / es syg uff den zunfft / gsellen / oder wirtzhüssern ald andren gemeinen stuben / in einer abentürten nit mer wyns dann uff dryMenge: 3
personen ein kopfwynVolumenmass: 1 Becher Wein geholet und ufgetragen werden / und so bald
der selbig wyn ußtruncken ist / als dann ein ürthen gemachet / unnd
kein wyn meer gereicht / noch uß den hüssern umbsgelt oder schenckswyse beschickt werden: Sonders mengklicher es by einer ürten belyben / unnd sich der selben settigen lassen. Ouch uffs lengst / so die glogg
abendts viere schlachtZeit: 16:00 damit enden / unnd keine wytere schupf / ald
[fol. 4r]Seitenumbruchnachürten machen. Und ob ein Zunfftmeister uff siner zunfft / oder ein
Oberer uff den gsellschafften / und stuben darby were / seche oder horte / das hierwider gehandlet wurde / der soll by sinem Eyd / daß zeleyden schuldig syn. Wellicher stubenmeister / stubenknecht / ald frouw /
deßglychen die wirt disem unsern ansehen aber nit gelaͤpte / oder daß
einer noͤtigen welte / mer wyns zeholen / und ufzetragen / ald daß einer
darüber wyn schanckte / dero jedes sol so offt es beschicht / fünff pfundWährung: 5 Pfund
zuͦ buͦß verfallen / unnd ye einer den andern darumb / in unser statt
unsern Oberistenknecht / und uff unser Landtschafft unsern Voͤgten
leyden / die dann unverzogenlich die buͦssen zuͦ unseren handen inziehen.

So denne daß sich niemandt der heimschen nachts nach den nünenZeit
im wirtzhuß noch uff den stuben meer finden lassen soͤlle / deßglychen
daß ouch die wirt / nach den nünenZeit / kein wyn weder in noch usserthalb dem wirtzhuß / in ander winckel / oder wirtzhüsser zetragen /
mer gebind. Doch krancklüth / und kindtbetteren hierin vorbehalten /
alles ungeverd.

Unnd wiewol bißhaͤr ein jeder wirt / unnd stubenknecht / in unser
Oberkeit / nach unsern ußgangnen Mandathen einem jeden gast biß
uff zehen schillingWährung: 10 Schillinge borgen moͤgen / unnd wir aber durch taͤgliche erfarung befinden daß under soͤllichem schyn / die gest gegen den wirten
unnd stubenknechten / in groß schulden kommen deßglychen die wirt
und stubenknecht / von ires gwüns unnd nutzes waͤgen / also iren gesten mit irem hoͤchsten schaden und nachteil / wyter und mer borget /
unnd inen dardurch zuͦ aller irer unhußligkeit unnd verderben anlaß
gaͤben / so woͤllen wir zuͦ fürkommung desselbigen / daß nun hinfür
kein wirt / noch stubenknecht / in unser Statt unnd Landtschafft / keinem gast keiner ürten mer uff was wyß und maß die beschaͤhen warten / sonders von im die ürten angentz vorderen unnd inziehen soͤlle /
dann so die wirt als stubenknecht einem gast vil ald wenig mer zergelts borgen / unnd beiten wurde / soͤlle er nit allein dasselbig verloren
haben / sonders noch darzuͦ er unnd der gast / jeder umb fünff pfundWährung: 5 Pfund /
von uns oder unsern Obervoͤgten / gestraafft werden. Doch die so
raͤchtmaͤssig raͤchts hendel hetten harin unvergriffen / denen mag
ein wirt wie von alterhar / nach sinem guͦten beduncken / unnd nach
dem er getrüwt inzebringen / wol borgen / doch daß harin kein gefar
gebrucht werde.

Und diewyl die unsern mit dem wyn kouffen so nach den getho[fol. 4v]Seitenumbruchnen merckten und koͤuffen / bezalt werden / bißhaͤr ouch grosse unmaß
gebrucht / und uff einandern unnotwendigen und überflüssigen costen
getriben / so wellent wir hiemit soͤlliche unzimliche wynkoͤüff ouch
verbotten haben. Also daß mit den selben kein überfluß mer gebrucht /
sonders darinne alle bescheidenheit unnd maͤssigkeit fürgenommen
werden / und wa solliches übersehen / und ungepürlicher cost ufgetriben wurde / als dann wir oder unsere Obervoͤgt / die übertraͤter nach
gestalt der sachen straaffen.

Es soͤllen ouch die unsern von Statt und Land den SonntagWiederholte Zeitspanne: 1 Woche /
darzuͦ den heiligen WienachtDatum: 25. Dezember (Kirchenfest) und den volgenden tag darufDatum: 26. Dezember (Kirchenfest) / deßglychen die beschnydungDatum: 1. Januar (Kirchenfest) / unnd Uffart ChristiDatum: beweglicher Feiertag / ouch den OstermentagDatum: beweglicher Feiertag
und den PfingstmentagDatum: beweglicher Feiertag / so wir by unsern Kilchen / von waͤgen deß
Nachtmals deß Herren unnd verkündigunt sines Goͤttlichen worts /
angenommen / glych fyren / unnd uff sollich tag / niemandts weder
durch sich selbs nach sine dienst unnd gesind / wercken noch arbeiten /
deßglychen die kraͤmer / glesserfuͤrer / handwerckßlüt noch andere / es
sygen froͤmbd oder heimbsch uff dieselben tag / ire laͤden zuͦhalten /
und darin nit feylhaben noch verkouffen / sonders mengklich in Christenliche liebe halten / unnd einandern bruͦderlich verschonen soͤllind:
dann welliche daß / es werind wyb oder mann / jung oder alt / übersehind / von den unnd den selben jeden insonderheit woͤllen wir so offt
unnd dick es beschicht / ein halb March silbersWährung: 0.5 Mark Silber / zuͦ raͤchnenKorrigiert: rechtenb buͦß unnd
straaff inzühen lassen / und gebietend daruf daß ein jeder den andern
darumb unsern Voͤgten und amptlüten leyden und anzeigen solle.

Wie ouch wir vornacher den unbillichen wuͦcher und daß ungebürlich gelt ußlyhen durch offne Mandathen abgestrickt unnd verbotten / und als vil uns bißhaͤr für kommen gestraafft / darby lassen
wir es nachmalen gentzlichen belyben / und sol hiemit mengklicher gewarnet syn dem zuͦgelaͤben / oder unserer schweren straaff unnd ungnad darob zuͦerwarten.

Item daß ouch niemandts / in unsern Oberkeiten wonhafft keine
zerhouwen hosen4 machen / noch keine büsch so zerhowen hosen glych
sicht / daruf setzen lassen / by der buͦß ein pfundWährung: 1 Pfund und fünff schillingWährung: 5 Schillinge / die
von dem so die selben tragt und dem schnyder so soͤlliche gemacht jeden besonderbar ingezogen werden.

Glychergestalt / sol hinfür keiner der unsern im unsern Stetten /
[fol. 5r]SeitenumbruchGerichten / und Gepieten da er seßhafft / keinen tolchen oder weidmer
nebent einem langen sydten gwer tragen / ouch by vermydung ein
pfund
Währung: 1 Pfund
unnd fünff schillingWährung: 5 Schillinge rechter buͦß / sonders ein jeder der unseren
sich an dem orth da er wonhafft an einem weer vernuͤgen lassen / nach
luth unsern darumb vorußgangnen Mandathen.

Und hieruf so gebietend wir allen / und jeden unsern Ober unnd
Undervoͤgten / Weyblen / Eegoümeren / geschwornen / unnd fürgesetzten / ouch allen andern unsern burgern / zuͦgehoͤrigen / und verwandten / in unsern Stetten / Graffschafften / Herrschafften / Landen / Gerichten / unnd gepieten seßhafft / hiemit ernstlich / daß sy gemeinlich
und sonderlich / allen hie obgeschribnen unserm ansehen / in allen und
jeden articklen / puncten / und meynungen / wie es von einem an daß
ander hieob vergriffen stat / thrüwlich unnd flyssig gelaͤbind / ouch
darwider in kein wyß noch waͤg nützit fürnemmind noch handlind /
sonders dem allem vestengklich nachgangind / wie wir uns dann aller schuldigen thrüw / und gehorsam versehen. Daß wirt uns allen zuͦ sondern lob / nutz / Eeren und wolstand erschiessen. Darzuͦ
Gott der Allmaͤchtig syn gnad verlyhen woͤlle.
Geben und mit
unserer Statt ZürychAusstellungsort: ufgetrucken Secret Insigel verwart5 / Mitwuchs den zehenden tag Septembris / Nach der geburt Christi unsers lieben Herren gezalt / fünffzehenhundert sibenzig und zwey jarOriginaldatierung: 10.9.1572.
[fol. 5v]Seitenumbruch

Anmerkungen

  1. Hinzufügung auf Zeilenhöhe von späterer Hand: /.
  2. Korrigiert: rechten.
  1. Von diesem Angebot machten mehrere Gemeinden der Obervogtei NeuamtOrt: im Dezember 1572Datum: Dezember 1572 Gebrauch, indem sie die ZürcherOrt: ObrigkeitOrganisation: in einem Schreiben um Hilfe baten (Edition: SSRQ ZH NF II/1, Nr. 18).
  2. Der Abschnitt ist im Grossen Mandat von 1580Datum: 1580 fast wortgleich abgedruckt (StAZH III AAb 1.1, Nr. 38 , fol. 6v-7r).
  3. Der Herdfall, also das sich zu Boden Werfen, war eine Ehrenstrafe im Falle des Delikts der Gotteslästerung (Loetz 2002, S. 202).
  4. Das Verbot der zerhauenen Hosen findet sich in zahlreichen Kleidermandaten des 16. JahrhundertsDatum: 1501 – 1600, beispielsweise im Verbot des Tragens geschlitzter Hosen und anstössiger Hosenschlitze für Stadt und Landschaft ZürichOrt: von ca. 1520 (SSRQ ZH NF I/1/3 110-1), wo auch die Busssumme gleich hoch ist.
  5. Im Gegensatz zum Mandat betreffend halbjährliche Synoden von 1528Datum: 1528 ist kein Siegelabdruck vorhanden (SSRQ ZH NF I/1/11 2-1).