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SSRQ ZH NF I/1/3 37-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), von Michael Schaffner

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/3 37-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Regelung des Klageverfahrens bei Straftaten innerhalb der Stadt Zürich

1489 Mai 25 – 1495 Dezember 31.

Um Verzögerungen bei der Behandlung schriftlicher Klagen zu vermeiden, wird verordnet, dass bei Straftaten, die in der Stadt Zürich geschehen, innert zwei Monaten Anklage zu erheben ist und Bürgen gestellt werden müssen. Wer angeklagt ist und keinen Bürgen zu stellen vermag, hat sich eidlich zu verpflichten, vor Gericht zu erscheinen. Bürgermeister und die amtierende Hälfte des Kleinen Rats sollen jeweils am Donnerstag über alle hängigen Fälle richten, Kläger und Angeklagte befragen sowie die Zeugenaussagen anhören. Sofern keine Anklage erhoben wird, muss dennoch durch den Rat ein Untersuchungsverfahren (Nachgang) eingeleitet werden. Es bleibt dem Kleinen Rat überlassen, ob er die Zeugenaussagen mündlich während der Verhandlung anhören oder Ratsmitglieder abordnen will, die die Aussagen vorgängig aufnehmen und verschriftlichen lassen. Späterer Zusatz von der Hand des Stadtschreibers Ludwig Ammann: Da sich vielfach einer Straftat angeklagte Fremde, darunter auch Handwerksgesellen, eidlich zum Erscheinen vor Gerichtet verpflichtet haben, danach jedoch trotzdem flüchtig geworden sind, wird verordnet, dass künftig angeklagte Fremde zwingend einen Bürger der Stadt Zürich als Bürgen stellen müssen oder bis zur Gerichtsverhandlung inhaftiert werden.

  • Signatur: StAZH A 43.1.2, Nr. 2, S. 30
  • Originaldatierung: 1489 Mai 25 – 1495 Dezember 31 (Datierung aufgrund der Schreiberhand)
  • Überlieferung: Eintrag
  • Beschreibstoff: Papier
  • Format B × H (cm): 22.0 × 32.0
  • Sprache: Deutsch
  • Schreiber: Johannes Gross, Unterschreiber der Stadt Zürich (Haupttext) Ludwig Ammann, Stadtschreiber von Zürich (Zusatz)

Die vorliegende Ordnung betrifft Klagen um Frevel, also die mittlere und untere Gerichtsbarkeit. Für die Hoch- oder Blutgerichtsbarkeit existierte ein eigenes Verfahren (SSRQ ZH NF I/1/3 99-1; SSRQ ZH NF I/1/3 100-1). Sie wurde im Anhang zum Vierten Geschworenen Brief im Jahr 1489 erlassen, die spätere Anmerkung von Stadtschreiber Ludwig AmmannPerson: dürfte zwischen diesem Datum und der Verabschiedung des Fünften Geschworenen Brief von 1498 entstanden sein (Weibel 1988, S. 129).

Die neue Regelung des Klageverfahrens lässt sich in Verbindung bringen mit einer auffälligen Veränderung der Rats- und Richtbücher, wie sie ab dem Jahr 1489 zu beobachten ist. Zuvor wurden zusätzlich zu den Klagen auch sämtliche Aussagen der Konfliktparteien sorgfältig verschriftlicht und in die Rats- und Richtbücher eingetragen. Dies änderte sich nach Erlass der vorliegenden Regelung: Neu lag es im Ermessen des Kleinen RatsOrganisation: , Zeugenaussagen entweder wie bisher einholen und niederschreiben zu lassen, oder aber nur noch mündlich direkt während der Verhandlung anzuhören. Zudem ist zu beobachten, dass die Prozesse ab diesem Zeitpunkt zunehmend in Form von losen Akten verschriftlicht und nur noch ausgewählte Fälle in den Rats- und Richtbüchern dokumentiert wurden (Malamud 2003, S. 60-63).

Für eine erweiterte Fassung der vorliegenden Ordnung vgl. SSRQ ZH NF I/1/3 173-1.

Editionstext


Wie eyner sin klag umb fraͤfel, so in
der stat bescheͣhent, gen dem anderen tuͦn sol


Als bishar biderblu̍t mit klagen, so sy je zuͦ ziten in schrifft umb
fraͤfel getoͧn haben, durch summnu̍ss der zu̍gen und sust verkuͤrtzt
syen, ouch bishar die klagen nit als fu̍rderlich gericht mochten
werden, als biderblu̍t des notturfftig geweͣsen weͣren und zuͦ dem
der statt ir buͦssen damyt oͧch verschynen, also, das die von tode abgegangen sind, so zuͦ ziten gebuͤsd soͤlten syn worden.
Soͤlichs
zuͦverkomende, haben wir uns erkendt, was fraͤfel in unser statt
beschehen und verfallen, das soͤliche indert zweyer monatenZeitspanne: 2 Monate frist
klagt und mit buͤrgschaft vertroͤst werden soͤlle. Und welicher nit
buͤrgschaft haben mag, das der selb dem reͣchten gehorsamm zuͦ sind
und des zuͦ erwarten soͤlichs an eyds statt loben oder zuͦ den heiligen
schweren soͤlle. Und also ein burgermeister und der nu̍w raͧtOrganisation: , so dann
gewalt haͧt, umb soͤlich sachen all donstagWiederholte Zeitspanne: 1 Woche richten und uff welichen
donstagZeitspanne: Donnerstag ein fyrtag ist oder einich klagen zuͦ richtende u̍ber bliben,
so sol u̍ber und umb soͤlichs gericht werden am andern donstagZeitspanne: Donnerstag
darnaͧch und zuͦ soͤlichem richten also dem kleger und dem antwurter
verku̍ndt und sy mit irer kundtschafft gegen und wider eyn andern
mundtlich verhoͤrt werden und als dann ein burgermeister und der
nu̍w raͧt
Organisation:
darinn handeln und urteylen, als sy beduͤcht recht sin.1
Und
ob ein sach, darumb dann fraͤfel beschehen, nit klagt wurde, so sol
doch nu̍tz dest mynder von eym raͧtOrganisation: dem naͧch gegangen werden und
also ein burgermeister und raͧtOrganisation: , so denn gewalt haͧt, daru̍ber richten,
umb der stat buͦs.2

Es sol oͧch je zuͦ ziten am raͧtOrganisation: stoͧn, ob sy die kuntschaft mundtlich
vor raͧtOrganisation: hoͤren oder ob sy vom raͧtOrganisation: dartzuͦ schiben wellen, die intzuͦnemmen. Und doch, so die kuntschaft usserhalb raͧtsOrganisation: verhoͤrt wirt, sol
der zu̍gen sag in geschrifft gestelt und dem naͧch fu̍rderlich und one
verziehen fu̍r den raͧtOrganisation: gelegt werden.
a–
Und wonn bißhar die froͤmbden, es syen hanndtwerchknecht oder annder,
zuͦ ziten vil uffruͦr und zerwu̍rffnu̍ss beganngen und so sy daͧruff
des rechten zuͦ erwarten gelobt haben, sy demnaͧch soͤlichs u̍bersechenn
und sind daͧru̍ber flu̍chtig und dem rechten absweiff worden. Soͤlichs
zuͦ verkommen haben wir angesechen und geordnet, wo ein froͤmbder also
eynich fraͤvel oder unzucht begaͧt, das der ze stund mit einem ingesessnen
burger vertrösten sol, des rechten zuͦ erwarten und dem gnuͦg ze tuͦn.
Und wo er das nit tuͦt, so sol er angenommen und in vanncknu̍ß behalten
werden, biß der raͧttOrganisation: , so daͧru̍ber zuͦ richten haͧtt, sich daͧrumb erkennen
mag.
Hinzufügung unterhalb der Zeile von anderer Hand
–a

Anmerkungen

  1. Hinzufügung unterhalb der Zeile von anderer Hand.
  1. Vgl. dazu die Ordnungen betreffend Abhaltung von Gerichtstagen durch den Bürgermeister und die Sitzungen des Kleinen RatsOrganisation: am Donnerstag (SSRQ ZH NF I/1/3 19-1; SSRQ ZH NF I/1/3 85-1).
  2. Vgl. dazu die Ordnung betreffend Durchführung von Nachgängen (SSRQ ZH NF I/1/3 60-1).